Unterm Strich

Die Illusion vom Klimageld

Wenn das Klimageld erst 2025 kommt, leidet die Akzeptanz der CO2-Bepreisung. Die Alternative ist eine sofortige Senkung von Umsatz- oder Einkommensteuer zur Entlastung der Haushalte.

Die Illusion vom Klimageld

Die Illusion vom Klimageld

Von Claus Döring

Wenn das Klimageld erst 2025 kommt, leidet die Akzeptanz der CO2-Bepreisung. Die Alternative ist eine sofortige Senkung von Umsatz- oder Einkommensteuer zur Entlastung der Haushalte.

„Morgen, morgen, nur nicht heute, sagen alle . . . “. Dass der Anfang dieses Kinderliedes mit dem Namen „Der Aufschub“ aus dem 18. Jahrhundert einem Kinderbuchautor von heute geläufig ist, darf unterstellt werden. Dass sich ein Klimaminister davon im politischen Tagesgeschäft inspirieren ließe, sollte nicht einmal von seinen größten Kritikern unterstellt werden, zumal ja auch eine vorübergehende Beschäftigung mit „Hühner, Schweine, Kühe melken“ – vom Hause her – einen ehemaligen Landwirtschaftsminister nicht gleich zum Bauernversteher macht. Nein, dass die Bundesbürger im gerade begonnenen Jahr 2024 vergeblich auf die Auszahlung des im Koalitionsvertrag der Ampelregierung versprochenen Klimageldes warten werden, hat ausnahmsweise nichts mit handwerklichem Ungeschick im Wirtschafts- und Klimaministerium zu tun, sondern mit dem Umspringen der Ausgabenampel von einer langen Grünphase auf zunächst Gelb oder gar Rot. Im FDP-geführten Finanzministerium wird seit dem Verfassungsgerichtsurteil zum Klima- und Transformationsfonds (KTF) alles einkassiert, was das Einhalten der Schuldenbremse 2024 gefährden könnte, Koalitionsvertrag hin oder her.

Es fehlt nicht an vernünftigen Vorschlägen, wie die mit dem Klimageld versprochene Entlastung der Bürger nicht erst morgen, sondern schon heute möglich wäre. Denn die CO2-Abgabe ist zum Jahresanfang von 30 auf 45 Euro je Tonne gestiegen, was allein bei den privaten Haushalten 2024 Mehrbelastungen von 8,1 Mrd. Euro ausmacht. Führende Ökonomen und auch Klimapolitiker befürchten, dass durch die späte Entlastung erst 2025 und die damit ausgelösten sozialen Verwerfungen die Akzeptanz der CO2-Bepreisung stark leidet – und damit des zentralen Instruments in der Dekarbonisierungsstrategie Deutschlands wie auch der EU. Dies wäre vor allem deshalb fatal, weil 2027 die nächste Stufe des europäischen Emissionshandels (EU-ETS2) beginnt, bei der Börsenpreise für CO2-Zertifikate die heutige nationale Abgabe ablösen werden und nach Expertenschätzungen Preise von bis zu 300 Euro je Tonne CO2 zu kalkulieren sind.

Da mögen die Verbraucherzentralen noch so glaubhaft vorrechnen, dass allein die seit 2021 gezahlte CO2-Abgabe auf Gas, Öl und Sprit dem Staat gut 11 Mrd. Euro zusätzlich in die Kassen gespült habe und folglich für die zurückliegenden drei Jahre ein Pro-Kopf-Klimageld von 139 Euro ausgezahlt werden müsste. Theoretisch. Praktisch geht das dagegen nicht, weil erstens Milliarden Euro über ein Loch im Eimer der KTF-Mittel namens EEG-Umlage schon abgeflossen sind und außerdem zweitens die Finanzverwaltung immer noch daran arbeitet, jedem berechtigten Bundesbürger erst einmal eine IBAN zur Überweisung des Klimageldes zuzuordnen.

Da die CO2-Abgabe als Konsumbesteuerung überproportional einkommensschwächere Haushalte belastet, sollte nach allgemeinem Verständnis die Entlastung ebenfalls über den Konsum laufen. Anders als beim Klimageld wäre das sofort möglich durch Senkung der Stromsteuer, der Netzentgelte und weiterer Abgaben auf den Strompreis, wie jüngst von der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft vorgeschlagen. Es wäre aber auch möglich durch eine allgemeine Senkung der Mehrwertsteuer. Oder der Einkommensteuer, wie von Ifo-Präsident Clemens Fuest präferiert, der aus verteilungspolitischen Gründen eine Kombination aus Erhöhung des Grundfreibetrags, Senkung der Grenzsteuersätze und Erhöhung des Bürgergeldes empfiehlt.

Der Zwang, die Schuldenbremse einzuhalten, sollte bei der Ampelkoalition zu einem Umdenken in der Klimaschutzpolitik führen: weg von Subventionen, wie für E-Autos, Wärmepumpen oder Photovoltaik, und hin zu noch stärkerer CO2-Bepreisung, zumal mit Blick auf ETS2. Das setzt freilich voraus, dass die Einnahmen daraus in voller Höhe an die betroffenen Haushalte und Unternehmen zurückfließen. Nicht „morgen“, sprich ab 2025 als Klimageld, sondern sofort und unbürokratisch als steuerliche Entlastung.

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