Die Stunde der Milchmädchen
Handelskonflikt
Die Stunde der Milchmädchen
Von Detlef Fechtner
Das größte Risiko
für eine reibungslose
Umsetzung des Zolldeals bleibt Donald Trump.
Seit Tagen wird gerechnet. Und vorgerechnet. Die Einen sagen: Der Deal zwischen EU und USA sei schlecht, denn EU-Exporteure zahlen 15% – und US-Exporteure in der Gegenrichtung nichts mehr. Die Anderen argumentieren: Der Deal sei gut, denn sonst wären 30% fällig gewesen – plus Gegenzölle und Gegen-Gegenzölle. Der Deal, finden wiederum die Einen, sei schlecht, weil die EU noch mehr Käufe von US-Gütern versprochen habe als Japan. Die Anderen halten dagegen: Der Deal sei gut, weil es der EU sonst so ergangen wäre wie der Schweiz, die nun mit 39% berappen muss. Schlecht, klagen die Einen, dass die EU (15%) einen höheren Basiszollsatz akzeptiert habe als Großbritannien (10%). Gut, kontern die Anderen, wenn man berücksichtige, dass die 15% ein Alles-inklusive-Satz seien, während Briten etwa für Käseexporte fast 25% Aufschlag zahlen. Uff, verwirrende Zahlenspiele – vieles davon wirkt wie schön- oder schlechtrechnen. In anderen Worten: Es ist mal wieder die Stunde der Milchmädchen.
Relevante Punkte ungeklärt
Damit nicht genug: Bislang sind zudem noch viele hochrelevante Punkte ungeklärt. So schwört die EU darauf, dass die Belastungen für heimische Stahlkocher und Aluminiumhütten, die Produkte in die USA ausführen, deutlich gemindert werden, sobald ein Quotensystem eingeführt wird. Das klingt ja vielleicht ganz gut. Aber es könnte Monate, wenn nicht Jahre dauern – und bis dahin ist ein Knock-Out-Zoll von 50% fällig. Eine andere offene Flanke sind die astronomischen Einkaufversprechen, etwa von Energie im Wert von 250 Mrd. Dollar jährlich. Aus der EU-Kommission verlautet, die genannten Summen seien ja nicht verbindlich. Fraglich, ob die Amerikaner dies ähnlich locker sehen.
Bloßer Hoffnungswert
Das größte Risiko ist und bleibt jedoch Donald Trump. Schließlich ist das zentrale Argument der EU für den Deal, dass durch die 15-%-Obergrenze wieder Vorhersagbarkeit und Investitionssicherheit einkehrt. Das indes ist nach den jüngsten Erfahrungen mit Trumps erratischem Politikstil ein bloßer Hoffnungswert. Wer will ausschließen, dass der US-Präsident nicht Verabredungen bestreitet oder kreativ deutet – wie am Dienstag mit seinen irritierenden Aussagen über ein 600-Mrd-Dollar-„Geschenk“?
Ein ganz wichtiges Signal wäre, wenn beide Parteien endlich die anvisierte Gemeinsame Erklärung unterschreiben würden. Aber dass es selbst bei dem Joint Statement hakt, verheißt nichts Gutes. Und liefert einen Vorgeschmack darauf, wie schwierig Handelsgespräche sein werden, weil das Vertrauen verloren gegangen ist.