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Die Suche nach Schutz im Ernstfall

In Deutschland gibt es im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern kaum Schutzräume für den Fall eines Angriffs. Die Bundesregierung will demnächst Konzepte vorlegen, dies zu ändern.

Die Suche nach Schutz im Ernstfall

Notiert in Berlin

Die Suche nach Schutz im Ernstfall

Von Andreas Heitker

Zu den recht beliebten Aktivitäten vieler Berlin-Touristen gehört schon seit Jahren der Besuch der Unterwelten der Stadt mit Führungen durch die alten Tunnel und Bunkeranlagen. Funktionierende Schutzräume sind in der deutschen Hauptstadt heute allerdings nicht mehr zu finden. Die Erhaltung solcher Räume war in Deutschland 2007 eingestellt worden. Viele Bunker sind auch in Berlin verkauft worden oder werden mittlerweile anderweitig genutzt, wie etwa der ehemalige Reichsbahnbunker Friedrichstraße. In dem fünfstöckigen Hochbunker zog nach dem Mauerfall erst ein bekannter Technoclub ein. Seit gut 20 Jahren ist er ein privates Kunstmuseum, das die zeitgenössische Sammlung Boros beherbergt.

Umgebauter Hochbunker in der Reinhardtstraße in Berlin: Heute ist in dem privaten Kunstmuseum die Sammlung Boros zu bewundern. Foto: picture alliance / Joko | Joko

In anderen Städten sieht es nicht anders aus. Nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) stehen von ursprünglich 2.000 nur noch 579 Bunkerräume in Deutschland zur Verfügung. In ganz Ostdeutschland gibt es aktuell keinen einzigen öffentlichen Schutzraum.

Zwar hat die Politik längst erkannt, dass es hier im Falle eines Falles ein Problem geben könnte und schon gleich nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine einen Rückbau von weiteren knapp 600 möglichen Schutzanlagen – Keller, U-Bahnhöfe oder auch Garagen – gestoppt. Passiert ist bislang aber wenig. BKK-Präsident Ralph Tiesler hatte bereits im Juni einmal Alarm geschlagen und schnellere Lösungen angemahnt. Eine Million Schutzräume will er schaffen. Die Sicherheitslage habe sich geändert. „Uns treibt das Risiko eines großen Angriffskrieges in Europa um“, warnte er in der „Süddeutschen Zeitung“.

Warten auf das Schutzraumkonzept und die Risikoanalyse

Immerhin 30 Mill. Euro will die Bundesregierung für das nächste Jahr für dieses Vorhaben bereit stellen. Nicht viel, aber ein Anfang. Es fehlt aber weiterhin das vom Bundesinnenministerium versprochene strategische Schutzraumkonzept. Und es fehlt eine aktualisierte Risikoanalyse, auf der dieses Konzept überhaupt erst aufbaut. Beide Papiere will das Ministerium noch in diesem Jahr vorlegen. Auch eine Änderung des Luftsicherheitsgesetzes wird aktuell noch geprüft, damit die Bevölkerung und auch sicherheitsrelevante Anlagen besser vor einer möglichen Drohnenattacke geschützt werden können.

Ehemaliger Luftschutzbunker des Flughafens Berlin-Tempelhof. Nicht funktionstüchtig, aber attraktiv für Besichtigungstouren in der Hauptstadt. Foto: picture alliance / Schoening | Schoening
picture alliance / Schoening | Schoening

In Teilen der Bevölkerung scheint auf jeden Fall die Angst vor der Bedrohung und einem möglichen Angriff durch Russland zu wachsen. Die politischen und medialen Debatten über die notwendige Aufrüstung in Deutschland und der ganzen EU befeuern natürlich diese Angst. Verlage bringen Bücher mit Titeln wie „Deutschland im Ernstfall“ heraus. Und selbst der Handel reagiert: Im Onlineshop des Discounters „Norma“ war kürzlich eine Bunkertür für das Privathaus für 5.569 Euro angeboten: „Entwickelt für den Schutz vor Strahlung und Explosionen.“ Ein sogar komplett ausgestatteter Popup-Panikraum für den Hausgebrauch ist ab 14.000 Euro zu haben. Mit der Angst der Menschen lässt sich offenbar auch gutes Geld verdienen.