KommentarRegulierungsclash zwischen Frankreich und Malta

Ein behutsames und doch entschlossenes Vorgehen ist notwendig

Frankreich will auf Malta erworbene Krypto-Lizenzen nicht mehr anerkennen. Dafür mag es guten Anlass geben. Aber ein solches Vorgehen würde die Errungenschaften des Binnenmarktes gefährden.

Ein behutsames und doch entschlossenes Vorgehen ist notwendig

EU-Binnenmarkt

Riskanter Streit um
Krypto-Lizenzen

Von Björn Godenrath

Die französische Aufsicht will in Malta ausgestellte Zulassungen nicht mehr anerkennen. Dafür gibt es Gründe, aber es gefährdet den Binnenmarkt.

Bei den europäischen Aufsehern brodelt es. Anlass dafür ist die national unterschiedlich gehandhabte Zulassung unter dem Krypto-Regime Micar. Die Unzufriedenheit über beschleunigte Zulassungen insbesondere von Malta war bereits im Juli hochgekocht, jetzt hat die französische Wertpapieraufsicht AMF nachgelegt: Man erwäge, die von anderen EU-Staaten erteilten Lizenzen nicht anzuerkennen, da mangelhafte Zulassungspraktiken den Verbraucherschutz gefährden würden, so AMF-
Chefin Marie-Anne Barbat-Layani.

Das Passporting hat sich grundsätzlich bewährt

So verständlich und gut begründet die angedrohte Maßnahme der AMF-Chefin auch ist, so gefährlich ist es für den harmonierten EU-Finanzmarkt. Denn der profitiert ja gerade davon, dass Anbieter mit der Lizenz aus einem Land dank Passporting den ganzen Binnenmarkt bespielen können. Diese Marktöffnung hat erheblich dazu beigetragen, dass ausländische Anbieter ihre europäischen Aktivitäten ausgeweitet, investiert und Kapital allokiert haben.

Noch mehr Kompetenzen von den nationalen Aufsehern abziehen?

Barbat-Layani spielt mit dem Feuer, wenn sie mit Nicht-Anerkennung von Lizenzen mancher Mitgliedsländer droht. Allerdings weiß sie Österreich und Italien hinter sich und hat auch schon eine Lösung parat: Sie möchte, dass die ESMA als zentrale Aufsicht mehr Verantwortung übernimmt. Das würde noch mehr Kompetenzen von den nationalen Aufsehern abziehen – und am Ende des Tages muss sich das Mitgliedsland Deutschland fragen, wie viel man noch selbst in der Hand hat, wenn die Bankenaufsicht bei der EZB liegt und die Wertpapieraufsicht noch stärker bei der ebenfalls in Paris ansässigen ESMA gebündelt wird.

Lizenzen kann man nicht bestellen wie bei McDonald's

Das Problem im Krypto-Markt ist aber real. Denn von außen betrachtet ist es schwer erklärlich, wie zum Beispiel OKX schon kurz nach Inkrafttreten der Micar am 23. Januar von der maltesischen Aufsicht eine vorläufige Erlaubnis und dann am 27. Januar die volle Lizenz erhielt. Der Chef der polnischen Kryptobörse Zondacrypto erklärte süffisant, der Erhalt einer Micar-Lizenz könne nicht so ablaufen wie die Bestellung eines Menüs bei McDonald‘s.

Es muss ein kritischer Dialog mit Malta geführt werden

Da mag man nicht widersprechen. Aber wie soll es nun weitergehen? Die AMF-Chefin ist gut beraten, mit der Reaktion auf die offenkundige regulatorische Arbitrage nicht zu überziehen und es den EU-Institutionen zu überlassen, den Dialog mit Malta zu führen, um die Zulassungsprozesse auf einheitliche Linie zu bringen. Der Binnenmarkt ist ein wertvolles Gut, das man nicht aufs Spiel setzen sollte.

Frankreich sitzt im Glashaus

Im Übrigen sind die Krypto-Firmen in der Regel sehr darauf bedacht, sich ihre Lizenzen bei nationalen Aufsehern zu besorgen, die implizit für eine hohe aufsichtliche Qualität stehen – weil das beim Werben um Anlegervertrauen hilft. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass es die Franzosen waren, die in der Zeit vor der FTX-Pleite bei vorläufigen Erlaubnissen für Krypto-Plattformen mit dicker Brieftasche sehr entgegenkommend waren. Wer die Neigung zeigt, in Paris Geld zu investieren und dort sein europäisches Hauptquartier ansiedelt, wird von Regierungschef Emmanuel Macron mitunter sehr zuvorkommend behandelt. Frankreich muss aufpassen, dass es sich im Wettbewerb der Finanzplätze nicht den Vorwurf der Doppelmoral einfängt.

Marie-Anne Barbat-Layani steht seit Oktober 2022 an der Spitze der französischen Börsenaufsicht AMF.
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