Im BlickfeldRestrukturierung

Eine „Bad Bank“ für Unternehmen

Mit steigender Zahl an Restrukturierungen rückt der Ansatz des Shareholding-as-a-Service in den Fokus. Das Versprechen: Unliebsame Unternehmensteile werden als externe Dienstleistung saniert – oder abgewickelt.

Eine „Bad Bank“ für Unternehmen

Eine „Bad Bank“
für Unternehmen

Mit steigender Zahl an Restrukturierungen rückt der Ansatz des Shareholding-as-a-Service in den Fokus. Das Versprechen: Unliebsame Unternehmensteile werden als externe Dienstleistung saniert – oder abgewickelt.

Von Sabine Reifenberger, Frankfurt

Was tun mit einem kriselnden Bereich, der nicht mehr zum Kerngeschäft gehört und womöglich sogar noch die Marge drückt? Ein klassischer Ausweg sind die schon sprichwörtlichen 1-Euro-Deals, bei denen ein auf Distressed-Situationen spezialisierter Investor zuschlägt. Ein anderer Weg sind Treuhandstrukturen. Der Impuls dazu geht oft von Kreditgebern aus, die weitere Sanierungsbeiträge davon abhängig machen, dass die Eigentümer Geschäftsanteile als Sicherheit für ihre Forderungen einbringen. Allerdings findet sich in diesen Strukturen eher das werthaltige Tafelsilber.

Ein dritter Weg liegt zwischen Distressed-Deal und Treuhandstruktur, führt aber bislang eher ein Schattendasein: Shareholding-as-a-Service, mitunter auch Restructuring-as-a-Service genannt. Bei dem Modell wird das unliebsame Asset verkauft – der Käufer arbeitet aber im Sinne des Verkäufers, als dessen Dienstleister. „Dadurch hat der Verkäufer mehr Einfluss als bei einem Verkauf an einen Finanzinvestor oder gar Wettbewerber“, sagt Tobias Moser, Partner der Kanzlei DMR Legal und Gründer der MR Corporate Solutions, die auch Shareholding-as-a-Service anbietet. Zugleich kann er, etwa über Beiratsmandate und durch klare Absprachen mit dem Dienstleister, einen gewissen Einfluss wahren.

Unternehmen räumen Portfolio auf

Das Modell ist nicht neu, blieb aber lange unter dem Radar. Das ändert sich gerade. „Das Thema ist unter Restrukturierern im Kommen“, sagt Moser. Er wird seit gut einem Jahr verstärkt auf die Lösung angesprochen. „Der Bedarf ist gestiegen, weil Unternehmen sich nicht zuletzt auf Druck von Aktionären häufiger von Aktivitäten außerhalb des Kerngeschäfts trennen wollen.“

Einer der präsentesten Anbieter auf dem Feld war lange das Münchener Beratungshaus One Square Advisors, dessen Marktposition im Zuge der Ermittlungen gegen die beiden Geschäftsführer wegen Betrugsvorwürfen im Fall Sympatex implodierte. Die Münchener nannten das Modell „Rescue Investment Vehicle Alternative“ (RIVA). Einige ehemalige Berater des Hauses haben inzwischen bei Wettbewerbern angeheuert, um da die Geschäftszweige auszubauen.

Berater positionieren sich

Alexander Dietel ist im Mai von One Square Advisors zu Falkensteg gewechselt, speziell als Partner für „Shareholding-as-a-Service“-Modelle. Er kennt das Modell auch aus Verkäuferperspektive. Vor seiner Zeit als Berater war er in der Strategieabteilung von Schaeffler tätig. „Damals habe ich im Gesellschafterauftrag zwei Werke im Shareholding-as-a-Service verkauft.“

Neben Falkensteg bauen auch weitere Anbieter die Bereiche aus. SGP Schneider Geiwitz hat im vergangenen Jahr die SGP Principal Solutions als eigenen Bereich gegründet und dafür den ehemaligen Rothschild-Banker Dirk Pahlke an Bord geholt. „Wir nehmen im Markt das Bedürfnis wahr, Unternehmen oder Unternehmensteile temporär in andere Gesellschafterstrukturen zu überführen, um dort für unterschiedliche Herausforderungen Lösungen zu realisieren, die in der ursprünglichen Gesellschafts- und Konzernstruktur nicht oder nicht mehr in der gebotenen Form und Geschwindigkeit umgesetzt werden könnten“, erklärt Pahlke damals etwas umständlich.

Bilanz bereinigen, Einfluss wahren

Ein anderer bekannter Name im Markt ist Florian Dausend, Partner bei Cornelius Treuhand, hinter denen die Kanzlei Wellensiek steht. Seit Mitte September ist Dausend auch Partner bei Wellensiek Rechtsanwälte. Atlantik Advisors, eine Gesellschaft der Brinkmann & Partner Gruppe, oder auch die Berater von Andersch Liebthal werden ebenfalls als temporäre Gesellschafter tätig, wenn eine Sanierung dies erfordert.

Ein entscheidendes Argument für Shareholding-as-a-Service ist aus Sicht der Altgesellschafter die Entkonsolidierung, sagt Sylwia Bea-Pulverich, Rechtsanwältin im Bereich Insolvenz- und Gesellschaftsrecht bei Norton Rose Fulbright in Frankfurt. „Sie wollen das Asset aus der Bilanz nehmen, ohne komplett den Einfluss zu verlieren.“

Darlehen der Altgesellschafter

Dafür müssen die Altgesellschafter einen finanziellen Beitrag leisten. Im Gegensatz zu einem Distressed-Investor bringt ein Shareholding-as-a-Service-Anbieter kein eigenes Kapital mit. Üblicherweise basiert die Finanzierung des ausgegliederten Bereichs auf Darlehen der Altgesellschafter. Bei Einrichtung der Shareholding-Struktur muss nachgewiesen sein, dass das Unternehmen nicht überschuldet oder zahlungsunfähig ist. „Das geschieht über ein IDW-S11-Gutachten zur Beurteilung des Vorliegens von Insolvenzeröffnungsgründen“, erklärt Juristin Bea-Pulverich. Die Altgesellschafter müssten neben den Kosten für das Aufsetzen der Struktur, die Berater und Dienstleister auch Working Capital sowie Mindestliquidität für das ausgegründete Unternehmen stellen. Sie sieht häufig Fälle, in denen Shareholding-as-a-Service und der Verkauf an einen Investor in einer frühen Phase der Due Diligence parallel geprüft werden.

Der Shareholding-Dienstleister wird für seine Dienste über eine Gebühr entlohnt. „Man erhält eine vereinbarte Vergütung für das Aufsetzen der Struktur, womöglich bringt der Dienstleister auch weitere Finanzierer mit an den Tisch oder findet andere Ansätze, die Belastung für den Altgesellschafter zu verringern“, erklärt Restrukturierungsberater Dietel. Im besten Fall wird das ausgegliederte Asset nach erfolgreicher Neuausrichtung mit Gewinn weiterverkauft. „Dann können sowohl der Dienstleister als auch der Altgesellschafter finanziell am Erfolg beteiligt werden.“

Nachfrage von Konzernen und Private Equity

Ein Massenprodukt ist Shareholding-as-a-Service allerdings nicht. „Man braucht eine gewisse Größe, damit es sich lohnt“, sagt Restrukturierungsberater Dietel. Häufig stammten die Fälle aus dem Umfeld von großen Konzernen oder Private-Equity-Investoren. Auch im Vorfeld von M&A-Deals könne das Modell helfen: „Wenn der Käufer an einem Teilbereich des Assets kein Interesse hat, weil ihn vielleicht Auslandsgesellschaften einer bestimmten Region nicht interessieren, dann kann ein Shareholding-as-a-Service-Anbieter diesen Teilbereich übernehmen.“ 

Ein klassischer Einsatzbereich für Shareholding-as-a-Service ist die Automotive-Branche, etwa wenn Werke in Hochlohnländern nicht mehr wettbewerbsfähig sind. „Oft brauchen die Altgesellschafter die Gewissheit, dass sie aus diesen Werken noch für eine bestimmte Dauer beliefert werden“, erklärt Moser. Ein Shareholder, der im Sinne des Verkäufers agiert, sei da verlässlicher als ein Distressed-Investor. „Man kann festlegen, dass das Werk das benötigte Produkt weiterhin für einen bestimmten Zeitraum liefert. Außerdem lässt sich der Verkauf an einen direkten Wettbewerber ausschließen.“ Allerdings müsse das wirtschaftliche Eigentum komplett auf den Shareholding-as-a-Service-Anbieter übergehen, die Mitsprache müsse sich auf einzelne Aspekte beschränken, mahnt der Jurist. „Um den Unternehmensteil zu entkonsolidieren, muss ein echter Verkauf stattfinden.“ Sonst würden Finanzamt und Wirtschaftsprüfer hellhörig.

Kein frisches Geld

Klar ist aber auch: Nicht jedes Asset wird in neuer Eigentümerschaft aufblühen. „Wenn ein Geschäft nicht mehr funktioniert, kann man keine Wunder bewirken“, sagt Dietel. Im Gegensatz zu Finanzinvestoren bringt der Shareholding-Dienstleister zudem kein frisches Geld mit, um mögliche Investitionen finanzieren zu können. „Man muss mit den gegebenen Mitteln haushalten“, betont Dietel.

Für Verkäufer ist auch Imagepflege ein wichtiger Aspekt, der für Shareholding-as-a-Service spricht. „Manche fürchten ein Stigma, wenn sie mit einer Insolvenz in Verbindung gebracht werden“, berichtet Moser. Die ausgegliederten Einheiten, für die die Muttergesellschaft keine Verwendung mehr hat, bekommen durch die Restrukturierung in neuer Hand eine zweite Chance. „Wenn diese missglückt, muss sich nicht der Altgesellschafter um die Abwicklung kümmern, sondern der Dienstleister“, fasst Moser zusammen.

In manchen Fällen ist eine Liquidierung nach einigen Jahren der Ausproduktion der wahrscheinlichste Ausgang. Ist Shareholding-as-a-Service also nur ein Mittel, um Zombie-Unternehmen am Leben zu halten? „Wir sind keine Bestatter, sondern wollen Lösungen finden“, betont Moser. Die Shareholding-Dienstleister könnten als Restrukturierer anders agieren als die Altgesellschafter und würden oft noch neue Ansatzpunkte finden, um dem Unternehmensteil neues Leben einzuhauchen. „Man gewinnt zumindest etwas Zeit – und vielleicht finden sich Perspektiven, bei denen es zumindest für einen Teil der Beschäftigten weitergehen kann.“