Tokio

Endlich geht Japans Grenze auf

Die rigide Abschottung vom Ausland sollte die Ankunft mutierter Coronaviren in Japan verhindern. Dahinter stecken wirtschaftliche Motive.

Endlich geht Japans Grenze auf

Nach zweieinhalb Jahren Selbstisolation hat sich Japan in dieser Woche für ausländische Besucher geöffnet: Seit Dienstag dürfen Touristen aus 68 Nationen wieder ohne Visum einreisen. Diese Visafreiheit hatte Japan im Frühjahr 2020 abgeschafft. Zwei Jahre lang bedurfte es einer Sondergenehmigung, wie sie etwa die Teilnehmer und Offiziellen der Olympischen Sommerspiele in Tokio erhielten, seit diesem Frühjahr wurden wieder Visa für Geschäftsleute erteilt, aber unter scharfen Auflagen.

Die rigide Abschottung vom Ausland sollte ursprünglich die Ankunft mutierter Coronaviren verhindern. Daher mussten sich auch alle Rückkehrer ins Land – Japaner und Ausländer mit Wohnrecht – bei der Ankunft auf dem japanischen Flughafen einem PCR-Coronatest unterziehen und 14 Tage lang selbst isolieren. Tägliche automatisierte Videoanrufe und eine Kontroll-App auf dem Smartphone überprüften, ob man am angegebenen Standort blieb.

Aber bald nutzten alle drei Premierminister während der Pandemie die fortgesetzte Grenzschließung, um sich als Beschützer der Japaner vor virentragenden Ausländern zu präsentieren. Damit folgten sie der Tradition der Edo-Zeit ab Anfang des 17. Jahrhunderts, als die Shogun-Herrscher die Ankunft von Ausländern für 200 Jahre verboten.

Dass Japan im Juli trotz des Touristenstopps die weltweit höchste Zahl an Corona-Infektionen verzeichnete, zeigte jedoch schließlich deutlich, wie wirkungslos diese Maßnahme war. Zugleich lockerten selbst jene Länder, die während der Pandemie die Einreise ähnlich strikt wie Japan beschränkt hatten, ihre Vorschriften. Regierungschef Fumio Kishida begründete die Öffnung mit wirtschaftlichen Erwägungen: Der ausländische Tourismus werde jährlich 5 Bill. Yen (35 Mrd. Euro) an Einnahmen generieren, erklärte Kishida. Der schwache Yen, der im Vergleich zu vor der Pandemie um 30% zum Dollar schwächer wurde, mache Japan-Besuche nun besonders attraktiv. Tatsächlich meldeten die beiden wichtigsten Fluggesellschaften ANA und JAL eine Steigerung ihrer Buchungen für den Winter um das Fünffache.

Doch Analysten halten die Vorgabe von Kishida kurzfristig für zu optimistisch. Nach Ansicht des Nomura-Forschungsinstituts werden die Auslandsbesucher im kommenden Jahr nur 2,1 Bill. Yen (14,8 Mrd. Euro) ausgeben. Das Vor-Pandemie-Niveau von 4,8 Bill. Yen lasse sich erst 2025 wieder erreichen, meint Ökonom Takahide Kiuchi. Auch JAL-Präsident Yuji Akasaka erklärte, dass die Nachfrage nach internationalen Flügen sich ebenfalls erst bis 2025 voll erholen werde.

Ihre Skepsis hat gute Gründe: Vor der Pandemie kamen 30% aller Touristen aus China – Pekings Null-Covid-Politik verhindert nun das freie Reisen. Auch sind die Flüge nach Japan bei weitem nicht mehr so preisgünstig.

Ein allmählicher Anstieg auf das Rekordniveau von 2019 mit über 32 Millionen Touristen liegt wohl auch in Japans Interesse. Denn das Gastgewerbe könnte einen plötzlichen Ansturm in dieser Größenordnung gar nicht verkraften. Über 70% der Hotels im Land haben nicht genug Mitarbeiter, dreimal so viele wie früher. Und im größten internationalen Flughafen Narita für Tokio ist derzeit noch die Hälfte der 260 Geschäfte und Restaurants geschlossen. Ein Ex-Geschäftsinhaber sprach von einer Geisterstadt.

Zudem bremsen einige Einschränkungen den Besucherstrom: Touristen müssen dreimal geimpft sein oder einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegen, um in ein Flugzeug Richtung Japan einzusteigen. Und der Mund- und Nasenschutz bleibt Pflichtausstattung. Ein neues Gesetz erlaubt es Hotels und Pensionen sogar, ihre Gäste auf die Straße zu setzen, wenn sie keine Maske tragen. Auch in Bussen und Bahnen, Geschäften und Restaurants empfiehlt die Regierung das Tragen einer Maske.

Immerhin sind Japan-Reisen viel digitaler und damit bequemer geworden: Viele Eintrittskarten, etwa für den beliebten Freizeitpark Tokyo Disney Resort, gibt es nun online. Das bargeldlose Bezahlen mit Apps hat sich weit verbreitet. Taxen lassen sich per App rufen. Mehr Gaststätten benutzen Lieferdienste. Und in einigen Restaurantketten bringen Roboter das Essen an den Tisch.

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