Notiert inNew York

Endzeitstimmung in der Empire City

Eine totale Sonnenfinsternis wird in New York zum Gesellschaftsereignis. In staunende Rufe über das Naturschauspiel mischen sich allerdings düstere Warnungen von Endzeitpropheten.

Endzeitstimmung in der Empire City

Notiert in New York

Endzeitstimmung in der Empire City

Von Alex Wehnert

In den Cornell Hills auf Roosevelt Island herrscht zu Beginn der laufenden Woche reger Betrieb. New Yorker Städter und Touristen aus China, Deutschland und Mexiko fläzen sich auf den begrünten Hügeln zwischen Queensboro Bridge und Four Freedoms Memorial, die den höchsten natürlichen Aussichtspunkt auf der Insel im East River bilden. Die hinter dunklen Brillen verborgenen Augen richten sich an diesem klaren Apriltag allerdings nicht auf das Chrysler Building im Westen oder die Wolkenkratzer Downtown Manhattans im Süden, sondern gen Himmel. Denn dort ist ein Naturschauspiel zu beobachten, das vom US-Festland aus das nächste Mal wohl erst in 20 Jahren zu sehen sein wird: eine totale Sonnenfinsternis.

Auch an der Fifth Avenue in Manhattan bleiben die Fußgänger in Massen stehen, um mit in die Nacken gelegten Köpfen gebannt zu verfolgen, wie sich der dunkle Mond vor die Sonne schiebt und die Stadt in seinen Schatten taucht. Doch in die freudig-erstaunten Rufe über das Spektakel mischen sich auch die düsteren Warnungen von Endzeitpropheten.

Erdbeben erschüttert Nordosten

„Gott schickt Amerika starke Signale, zu bereuen“, schreibt die für ihre mit der Eloquenz eines angetrunkenen Preisboxers vorgetragenen Verschwörungstheorien bekannte republikanische Kongressabgeordnete Marjorie Taylor Greene auf der Plattform X. Dabei verweist sie auch auf das Erdbeben der Stärke 4,8 auf der Richterskala, das den Nordosten der USA Ende der vergangenen Woche durchrüttelte. Auch in Harlem erzitterten dabei die Platanen und Eichen entlang der Querstraßen sowie die Stadthäuser aus braunem Sandstein – größere Schäden waren in New York aber nicht zu vermelden.

Taylor Greene sonderte dennoch ab, sie bete, „dass unser Land zuhört“ – nur wer bei den Präsidentschaftswahlen im November Donald Trump wählt, hat in der Gedankenwelt der Politikerin aus Georgia eine Chance, den Zorn des Herrn von Amerika abzuwenden. In das von „MTG“ gezeichnete Bild mag allerdings nicht so recht passen, dass der gottesfürchtige republikanische Süden in weitaus stärkerem Maß von Wirbelstürmen, Waldbränden und Fluten heimgesucht wird als der von unchristlichen linken Bazillen unterwanderte Nordosten.

Vermögensverwalter unter Druck

Die Ursache für die wachsende Zahl an Katastrophen will ein bedeutender Teil der republikanischen Vertreter im Kongress noch immer nicht wahrhaben: den menschengemachten Klimawandel. Dass Nachhaltigkeit allgemein in den USA einen schweren Stand hat, erfahren auch Vermögensverwalter mit einst vollmundig beworbenen ESG-Strategien leidvoll. Denn diese ringen mit einem Exodus institutioneller Anleger aus dem republikanischen Spektrum. Die demokratisch dominierte Börsenaufsicht SEC trägt mit überambitionierten Klima-Transparenzpflichten unterdessen ebenfalls nicht zu einem konstruktiven Nachhaltigkeitsdialog bei. Beide Seiten müssen zur Vernunft kommen – und das nicht erst zur nächsten totalen Sonnenfinsternis.

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