Brücke oder KrückeSozialstaat

Erkrankt an Ideenarmut

Die Krankenkassenbeiträge steigen unaufhörlich weiter. Die demografische Entwicklung verschärft das noch. Es bräuchte dringend kreative Ideen, um das System zu entlasten. Die Politik setzt auf alte Rezepte, obwohl neue Ansätze nahe liegen.

Erkrankt an Ideenarmut

Sozialstaat

Erkrankt
an Ideenarmut

Von Sebastian Schmid

In der Privatwirtschaft ist die Sache klar. Je komplexer ein Problem, desto mehr Kreativität ist bei der Lösungssuche gefragt. Ein Beispiel liefert die Automobilindustrie beim Thema Seltene Erden. Ohne geht Elektromobilität noch nicht, das Gros der verfügbaren Vorkommen befindet sich aber fest in chinesischer Hand. Viele Unternehmen versuchen sich über langfristige Lieferverträge abzusichern. Zudem wird viel Entwicklungsaufwand betrieben, um den Bedarf an und damit die Abhängigkeit von Seltenen Erden je Fahrzeug zu reduzieren. BMW ist hier schon recht weit, auch andere Autobauer machen hier große Fortschritte.

In der Politik wird der Ansatz, Herausforderungen von verschiedenen Richtungen anzugehen, nur selten gewählt. Oft erschöpft sich die Kreativität darin, mehr Geld auf ein Problem zu werfen. So soll die kränkelnde Krankenkasse weiter mit dem immer gleichen alten, untauglichen Rezept kuriert werden: Kürzung von Leistungen und Anhebung der Zusatzbeiträge. Der Kunde ist hier nicht König, sondern Vasall. Fraglos eine Strategie, die im privatwirtschaftlichen Umfeld auf Dauer keine Überlebenschance hätte.

Anreize statt Verbote

Dabei gibt es kreative Ansätze, wenn der Blick auch mal über die Landesgrenzen hinausgeht. In Singapur wird etwa über eine clevere Verknüpfung von Kranken- und Rentenvorsorge sichergestellt, dass ein besonders gesundheitskostensparender Lebenswandel sich auch in der Rentenvorsorge in barer Münze auszahlt. Positive Anreize für einen gesellschaftlich wünschenswerten Lebenswandel? Hierzulande allenfalls in homöopathischer Dosis. Lieber wird mit Verboten gearbeitet. Auch das kann zwar helfen, lässt aber die wichtigste Antriebsfeder außer acht: den Eigennutz des Menschen.

Dabei ist die grundlegende Erkenntnis nicht einmal umstritten. Sonst bräuchte es schließlich keine Marktwirtschaft. Auch im Sozialstaat ist es an der Zeit, kreative Lösungen zu finden, die Menschen incentivieren, die Staatskassen zu schonen. Statt eine Praxisgebühr könnten beispielsweise zusätzliche Rentenpunkte erworben werden, wenn in einem Quartal mal keine Arztpraxis aufgesucht werden musste. Nicht jedes Halskratzen sollte ins Wartezimmer getragen werden. Wer selbst gut fürs Alter vorgesorgt hat, könnte für den Verzicht auf Rentenansprüche mit höheren Freibeträgen bei Schenkung oder Erbschaft belohnt werden. Denkanstöße für Alternativen gibt es genug. Zeit, tradierte Bahnen zu verlassen.

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