Es geht um mehr als Panzer
Es geht um mehr als Panzer
Panzer oder Drohnen werden für die Volkswirtschaft nie die Bedeutung erlangen, die Autos oder Maschinen haben. Aber Rüstung hat das Zeug, Deutschland technologisch voranzubringen.
Panzerbauer Rheinmetall fertigt künftig auch Kriegsschiffe. Noch vor wenigen Jahren wäre ein solcher Deal praktisch unvorstellbar gewesen. Heute findet der Zukauf der Militärsparte der Lürssen Werft großen Niederschlag in den Medien und treibt den Kurs der Rheinmetall-Aktie auf ein Rekordhoch.
Rüstung gilt vielen Politikern, Wirtschaftslenkern und Investoren als Hoffnung der deutschen Wirtschaft. Denn die Vorzeigebranche Auto leidet unter wachsender Konkurrenz aus China, den US-Zöllen und einer Flaute im Heimatmarkt. Auch andere Industriezweige wie der Maschinenbau und die Chemie schwächeln. Dagegen scheint für Rüstung unbegrenzt Geld vorhanden angesichts der neuen alten Bedrohung aus Russland.
Umsätze rasant gestiegen
Unstrittig ist: Auftragseingänge und Umsätze bei den Rüstungsfirmen sind seit dem russischen Überfall auf die Ukraine rasant gestiegen. Das spiegelt sich an der Börse wider: Rheinmetall als größter deutscher Rüstungskonzern hat eine Marktkapitalisierung von nahezu 85 Mrd. Euro erreicht; der Kursgewinn auf drei Jahre gesehen liegt bei mehr als 1.200%. Zum Vergleich: Deutschlands größter Autobauer Volkswagen erreicht noch gut 51 Mrd. Euro; der Kursverlust binnen drei Jahren liegt bei grob gerechnet 40%.
Da ist es kein Wunder, dass Autozulieferer oder Maschinenbauer ihr Glück in der Rüstung suchen. So baut Druckmaschinen-Hersteller Heidelberger Druck künftig Regelungstechnik und Energieverteilungssysteme für Kampfjet-Generatoren. Motorenbauer Deutz setzt große Hoffnungen auf Drohnenantriebe. Und bei der ehemaligen VW-Tochter Renk, die das Getriebe des Kampfpanzers Leopard 2 fertigt, ist das zivile Geschäft angesichts massiver Rüstungsaufträge in den Hintergrund gerückt.
Stimmt es also, dass das Rüstungsgeschäft die deutsche Wirtschaft als Ganzes ankurbeln kann? Ja und nein. Die Experten der LBBW sehen durchaus Chancen für mittelständische Industriebetriebe, das rückläufige Geschäft mit der Autoindustrie durch Zulieferaufträge in der Rüstung auszugleichen. Die Unternehmen bekommen dadurch Planungssicherheit, könnten ihren Maschinenpark auslasten und dürften obendrein für militärische Güter höhere Margen einstreichen.
Mangel an Kapazitäten
Laut einer Befragung der Beratungsgesellschaft Roland Berger sehen knapp zwei Drittel der Autozulieferer im Verteidigungssektor die besten Chancen auf neue Umsätze; dahinter folgen mit deutlichem Abstand die Medizintechnik sowie die Luft- und Raumfahrtindustrie als Hoffnungsbranchen. In die gleiche Kerbe schlägt McKinsey, die in einer Studie mangelnde Kapazitäten in der Rüstung ausmacht. Die Produktion ließe sich nur durch neue Spieler hochfahren, etwa aus dem Automobil- oder Maschinenbau, sagen die Experten.
Das Problem aber bleibt: Der Markt für Rüstungsgüter ist begrenzt, die Kunden sind rein staatlich. Entsprechend niedrig sind die Stückzahlen. Viele Rüstungsunternehmen arbeiten bis heute im Manufakturbetrieb oder schaffen maximal Kleinserien. Vom deutschen Vorzeige-Kampfpanzer Leopard 2 sind seit Ende der 1970er Jahre laut Hersteller KNDS gut 3.500 Stück gebaut worden. Vom deutschen Vorzeige-Auto Golf waren es seit Mitte der 1970er Jahre laut VW mehr als 37 Millionen. Erschwerend hinzu kommt: Viele deutsche Rüstungsmilliarden fließen ins Ausland und hier insbesondere in die USA, etwa beim Kampfjet F-35.
Mehr als der Lückenbüßer
Doch die Rüstungsbranche kann mehr sein als Lückenbüßer für wegfallende Automobil-Aufträge. Deutschland hat hier die Chance, technologisch in Schlüsselbranchen aufzuholen. Wie das gemacht wird, zeigen die hoch bewerteten Rüstungs-Startups Helsing und Arx Robotics. Helsing ist für seine Kamikazedrohnen bekannt, Arx Robotics für seine fahrerlosen Mini-Panzer. Die beiden setzen stark auf KI und arbeiten nun zusammen. Das Ziel: die Landstreitkräfte zu digitalisieren, zu vernetzen und mit künstlicher Intelligenz schlagkräftiger zu machen. Hochtechnologie Made in Germany, die sicher auch eine zivile Anwendung finden wird.