Notiert inMoskau

Es wird überall enger

Benzin und Reifenwechsel – zwei Beispiele, wie das Leben der Russen sich verteuert hat. Und weniger komfortabel geworden ist. Dabei sind das noch gar nicht die großen Probleme. Der Markt lechzt nach Frieden.

Es wird überall enger

Notiert in Moskau

Es wird überall enger

Von Eduard Steiner

Heftig, so erzählen Insider, waren und sind die Diskussionen in den Ministerien über das neue russische Budget. Nichts da mit monolithischer Einigkeit darüber, welche Gewichtungen bei den Ausgaben vorgenommen werden sollten. Am Ende zeigt sich, dass die Militärausgaben zumindest nicht mehr weiter steigen, wie Präsident Wladimir Putin schon früher versprochen hat. Einmal mehr zeigt sich, dass zumindest in Sachen Wirtschaft eine durchaus hitzige, auch öffentliche geführte Diskussion stattfindet und im Unterschied zur Politik auch stattfinden darf. Und einmal mehr zeigt sich, dass die wirtschaftlich starken Jahre des Kriegs-Keynesianismus vorbei sind und nun die Quittung dafür präsentiert wird.

Es wird keine Wirtschaftskatastrophe, aber es wird enger. Und nur die Aussicht auf Frieden – in Verbindung mit einer Lockerung der Sanktionen – würde den neuen und entscheidenden Impuls für die Wirtschaft bringen. Wie sehr der Markt danach lechzt, zeigte sich am 16. Oktober, als nach einem Telefonat zwischen Donald Trump und Putin die Aussicht auf ein zweites Gipfeltreffen der beiden den Leitindex der Moskauer Börse (MOEX) um 5% hat steigen lassen – der stärkste Tagesanstieg seit dem Frühjahr. Weil das Treffen dann nicht zustande kam, haben sich alle Gewinne wieder in Luft aufgelöst. „Bei Signalen für ein Friedensabkommen würde die Kapitalisierung des russischen Aktienmarkts um 30 bis 40% steigen“, prophezeit der Banker und Ex-Finanzminister Michail Sadornow.

Damit wird vorerst also nichts. Und so lebt die russische Bevölkerung eben mit der Tatsache, dass es angesichts einer De-Facto-Stagnation und einer hohen Inflation enger wird. Und dass in manchen Lebensbereichen noch andere erschwerende Umstände hinzukommen. So kommt es immer wieder zu Lücken in der Benzinversorgung, weil einerseits inzwischen doch viele Raffinerien von ukrainischen Drohnen schwer beschädigt sind und andererseits die von Drohnen ausgelösten Störungen im Flugverkehr zu einer höheren Benzinnachfrage im Straßenverkehr geführt haben.

Benzin ist denn auch einer der großen Preistreiber. Der Reifenwechsel für den Winter auch: In Moskau stieg der Preis zum Vorjahr im Schnitt um 22,4%, eruierte die Zeitung Izvestia auf Basis von Daten des Statistikamtes Rosstat. Am stärksten schnellte er im Föderationskreis Ural hoch – und zwar um 29,3%. Die Inflationserwartung bleibt laut Zentralbank hoch, weshalb diese den Leitzins vergangene Woche zwar weiter gesenkt hat, aber nur um 50 Basispunkte auf 16,5%.

Gefährlich eng ist es inzwischen auch bei den Fachkräften. Natürlich sei ein größeres Wachstum auch durch Produktivitätssteigerungen möglich, sagte jüngst Herman Gref, Chef der größten russischen Bank Sberbank. Da aber hohe Zinsen und begrenzte Investitionsmöglichkeiten infolge der westlichen Sanktionen das verhindern, führe an der Anwerbung qualifizierter Arbeitskräfte aus dem Ausland kein Weg vorbei.