KommentarKapitalmarktunion

Europa kommt nur schwer auf einen Nenner

Die Kapitalmarktunion war bereits zur inhaltsleeren Floskel verkommen. Doch der Eurogruppe ist gelungen, den Begriff wieder mit Substanz zu füllen. Im Großen und Ganzen sind die Minister sich einig. Aber im Kleinen gibt es Streit.

Europa kommt nur schwer auf einen Nenner

Kapitalmarktunion

Ein winziger Hauptnenner

Von Detlef Fechtner

Mittlerweile neun Jahre alt ist die Idee einer europäischen Kapitalmarktunion. Doch seither ist wenig passiert, der Begriff verkam zwischenzeitlich zur inhaltsleeren Floskel. Nun ist es der Eurogruppe gelungen, die Kapitalmarktunion wieder mit Substanz unterlegt zu haben. Das geschah nicht ganz freiwillig. Vielmehr haben die Finanzminister begriffen, dass es nicht nur für den Staat, sondern auch für die Banken unmöglich ist, die Billionen aufzubringen, die für den Umbau der Wirtschaft gebraucht werden.

Konzentration auf „low hanging fruits“

Anders als 2015 lautet der Vorsatz, sich zunächst auf Maßnahmen zu konzentrieren, die vergleichsweise einfach umzusetzen sind. Zu diesen „low hanging fruits“ zählen die Anpassung der Regeln für Verbriefungen, die Schaffung eines grenzüberschreitenden Anlage- und Sparprodukts für Retail-Investoren, die Harmonisierung der Aufsicht über Marktteilnehmer auch jenseits des Bankenlagers und der Abbau bürokratischer Lasten. So weit, so einvernehmlich – zumindest im Großen und Ganzen.

Im Kleinen und Granularen jedoch schrumpft der Hauptnenner schnell zusammen. Stichwort Retail-Produkt: Frankreich steht im Verdacht, die Regierung setze sich nur deshalb so engagiert dafür ein, damit französische Banken das heimische steuerbegünstigte Anlagesparkonto auch in anderen EU-Ländern an den Kleinkunden bringen können. Stichwort Harmonisierung der Finanzmarktaufsicht: Auch hier werden die Franzosen, die am liebsten europäische Börsen und Clearinghäuser der direkten Aufsicht der in Paris beheimateten ESMA unterwerfen würden, von ihren EU-Partnern skeptisch beäugt. Steht doch der Vorwurf im Raum, es gehe Paris vor allem um Pluspunkte im Wettbewerb der Finanzplätze.

Teufel steckt im Detail

Stichwort Bürokratieabbau: Rhetorisch herrscht große Einigkeit, an den Details entzündet sich Streit. Schließlich ist Europas Regulierung ja auch deshalb so komplex, weil sie auf nationale Besonderheiten Rücksicht nimmt. Will man sie abschaffen, um Vorgaben zu entschlacken, sorgt das natürlich leicht für Zoff.

Die gute Nachricht zum Schluss: Bei der Reform der Verbriefungsregeln sind die Regierungen sogar dann noch auf gemeinsamem Kurs, wenn es um die Einzelheiten geht. Deshalb stehen die Chancen gut, dass die EU-Kommission, sobald sie sich neu konstituiert hat, einen Gesetzesvorschlag vorlegt. Das wird sicherlich positive Wirkung haben. Doch selbst die wird nur ein schwacher Trost dafür sein, dass sich Europa auch in absehbarer Zukunft schwertut, die Kapitalmärkte zu mobilisieren.

Der kluge Vorsatz lautet, sich bei der Kapitalmarktunion zunächst auf „low hanging fruits“ zu konzentrieren.