Brücke oder KrückeTechnologische Resilenz

Europa setzt aufs falsche Pferd

Anstelle der wenig aussichtsreichen Aufholjagd im Cloud-Geschäft sollte Europa lieber Sektoren stärken, wo ein technologischer Vorsprung besteht, etwa bei Innovationen im Energiebereich oder Verteidigung.

Europa setzt aufs falsche Pferd

Technologische Resilienz

Europa setzt aufs falsche Pferd

Von Heidi Rohde

Ein einziger Ausfall provoziert einen reflexhaften Einfall. Die IT-Panne beim weltgrößten Webhoster AWS ist Wasser auf die Mühlen von Verfechtern der sogenannten digitalen Resilienz. Diese wollen Europas Abhängigkeit von Big Tech – in diesem Fall durch den Bau von Sovereign Clouds und heimischen Rechenzentren – gerne abstellen. Die Idee hat allerdings gleich mehrere Schwächen. Zum einen verkennt sie den Wettbewerbsvorteil einer globalen Skalierung des Cloud-Geschäfts, der die großen Hyperscaler effizienter, finanziell schlagkräftiger und dadurch auch oft innovativer macht als eine lokale Konkurrenz. Die Kunden wissen das zu schätzen und weigern sich regelmäßig, in die kleine Wolke am eigenen Himmel einzuziehen.

Zu kurz gedacht

Zum andern gilt: Selbst wenn der Staat eine „Home Cloud-Prämie“ ausrufen würde, wäre mit dem Umzug noch wenig gewonnen. Denn Europa hat auch in der Hardware keine eigene Alternative. Die Produktion digitaler Endgeräte ist vor Jahrzehnten nach Asien abgewandert. Nur das Design liegt oft noch in westlicher Hoheit, dann allerdings in amerikanischer. Ob Dell, HP oder Lenovo, Rechenzentren werden nicht mit europäischer Gerätschaft bestückt.

Starke Forschung

Europas fixe Idee einer digitalen Abkopplung erweckt den Anschein, als könne ein neugeborenes Füllen mit etwas mehr Futter ausgewachsenen Rennpferden schnell ebenbürtig werden. Dabei hat die Region an anderer Stelle vielversprechendere Jährlinge im Stall, die mit Blick auf die technologische Resilienz mehr Aufmerksamkeit verdienten. So gehört eine erstklassige staatliche Forschung zu den Vorteilen des Kontinents. Deutsche Institute haben einer Langzeitstudie des Europäischen Patentamts zufolge seit der Jahrtausendwende 18.300 Patente angemeldet und liegen europaweit auf Platz 2 hinter Frankreich. Zu den Top Ten der innovativsten Institute zählen etwa das französische Atomenergiekommissariat und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Beides Forschungseinrichtungen, auf deren Exzellenz sich Europa stützen kann, um auf zentralen Resilienzfeldern wie Energiesicherheit und Rüstung voran zu kommen.

Hier reicht staatliche Förderung allein indes nicht aus. Es braucht auch einen stärkeren Transfer in diese jungen Unternehmen, um die Kommerzialisierung der Technologien voranzutreiben. Dies gelingt mithilfe privater Kapitalgeber in der Regel besser. Ideal wäre, wenn diese nicht auch alle aus den USA kämen.