Europäisches Unvermögen
Europäisches Unvermögen
Digitalgipfel
Europäisches
Unvermögen
Von Stephan Lorz
Wenn über Jahrzehnte darüber geklagt wird, dass Europa bei den digitalen Technologien ins Hintertreffen geraten ist, der Kontinent sogar seine digitale Souveränität zu verlieren droht. Wenn dann stets eine Aufholjagd versprochen wird, immer neue „Projekte“ aus dem Hut gezaubert werden, die Lage sich aber seither trotzdem verschlimmert hat, Erpressbarkeit und Datenspionage Realität geworden sind – dann ist das Versagen der Politik offenkundig. Noch so pompös inszenierte „Digitalgipfel“ verstecken das Unvermögen nur hinter einer Choreografie aus neuen Versprechungen und großen Gesten.
Brüssel und speziell Berlin waren nie in der Lage, den amerikanischen und chinesischen Konzernen so zentrale Digitaltools an die Hand zu geben, dass sie auch für diese unabkömmlich sind. Auf die US-Produkte aber sind die heimischen Unternehmen mangels Alternativen weiterhin existenziell angewiesen, um in ihren Branchen weiter erfolgreich sein zu können – zumindest solange, bis ihr eigenes Know-How digital abgegriffen worden ist und neue Konkurrenz auftaucht. Europa ist erpressbar geworden.
Brüssel muss sich daher ernsthaft fragen, ob es nicht grundsätzlich einer falschen Strategie folgt: Bei der Regulierung fremder Technologie ist die EU stets ganz vorne. Gern gibt man sich zudem als moralisches Vorbild für die Welt und verlangt ethisches Wohlverhalten rund um den Globus. Und wenn es um die alten Branchen geht, setzt man alles in Bewegung, um sie zu retten oder zumindest ihr Siechtum zu verlängern. Aber bei allem Neuem werden nicht die Chancen, sondern ihre Risiken erörtert, wird nicht das große Geschirr herausgeholt, um aus den Ideen Milliardenkonzerne zu entwickeln. Mehr als ein paar Leuchtturmprojekte sind nicht drin. Wenn das ein oder andere Unternehmen dann trotzdem erfolgreich ist, setzt in Brüssel das Hauen und Stechen ein. Der eine EU-Staat gönnt dem anderen den Erfolg nicht. Zudem bricht sich unweigerlich ein Neidkomplex Bahn: Geldgeber werden als gierige Kapitalisten beschimpft und geschröpft. Ohne Mentalitätsänderung in Brüssel wird kein noch so illustrer Gipfel erfolgreich sein.
