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Europas Biotechs im Hintertreffen

Mit Novartis legt der nächste europäische Pharmariese Milliarden auf den Tisch, um sich ein US-Biotechunternehmen einzuverleiben. Auswahl hätte die Branche zwar auch in Europa. Doch hier brauchen die Akteure nun mal einen deutlich längeren Atem, um neue Medikamente auf den Markt zu bringen.

Europas Biotechs im Hintertreffen

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Europas Biotechs im Hintertreffen

Von Karolin Rothbart

Ein europäischer Pharmariese legt mal wieder Milliarden auf den Tisch, um sich mit einem US-Biotech-Unternehmen fit für die Zukunft zu machen. Mit der Übernahme von Avidity Biosciences aus San Diego will die Schweizer Novartis ihr Neurologie-Geschäft stärken und lässt sich das Ganze 12 Mrd. Dollar kosten. Es ist der größte Novartis-Zukauf seit über zehn Jahren und einer von mehreren beachtlichen US-Deals, zu denen es jüngst in der Pharmabranche gekommen ist. So hat Sanofi aus Frankreich im Sommer angekündigt, das US-Biotech-Unternehmen Blueprint Medicines für gut 9 Mrd. Dollar zu übernehmen. Damit soll das Immunologie-Geschäft der Franzosen angekurbelt werden. Merck aus Darmstadt hat mit der Übernahme des US-Krebsspezialisten Springworks Therapeutics für über 3 Mrd. Dollar zuletzt den größten Zukauf nach vielen Jahren eingetütet. Roche und Novo Nordisk wollen sich für bis zu 3,5 Mrd. Dollar beziehungsweise 5,2 Mrd. Dollar die US-Biotechs 89bio und Akero Therapeutics einverleiben, die Medikamente gegen Leberschäden entwickeln.

Europäischen Biotech-Firmen könnten bei solchen Summen fast schon die Tränen kommen. Denn es ist ja nicht so, dass sie in ihrem wissenschaftlichen Know-how hinter den Amerikanern zurückbleiben. Doch das Geschäft mit der Medikamentenentwicklung – inklusive Finanzierung – gestaltet sich in der EU nun mal deutlich komplizierter als in den USA. Im hiesigen Staatenverbund warten 27 unterschiedliche Gesundheitssysteme auf die Branche, die teils sogar nochmal föderativ organisiert sind. In der Genehmigung klinischer Studien und Zulassung neuer Medikamente gelten die regulatorischen Rahmenwerke als fragmentiert. Das führt unter anderem dazu, dass es in der EU durchschnittlich 434 Tage dauert, bis ein Medikament zugelassen ist. In den USA waren es zuletzt 244 Tage. Europa verliert außerdem schon seit Längerem beim weltweiten Anteil an klinischen Studien.

Dass europäische Biotechs jemals so hohe Bewertungen erlangen wie ihre US-Pendants, ist vor dem Hintergrund utopisch. Die Chancen in den USA sind einfach größer.