Europas Rüstungskonzerne setzen auf Joint Ventures
Europas Rüstungskonzerne setzen auf Joint Ventures
Übernahmen wie der Kauf der Lürssen-Werft durch Rheinmetall sind eine Seltenheit. Bevorzugt werden Joint Ventures. Das ermöglicht die feine Machtbalance im staatlich dominierten Milliardengeschäft. Als nächstes folgt das Satellitenprojekt "Bromo“.
Von Christoph Ruhkamp, Frankfurt
Am 9. September 2025 um 23.30 Uhr drangen mindestens 19, wahrscheinlich 23 russische Kamikazedrohnen in den polnischen Luftraum ein. Mindestens acht Drohnen wurden durch die polnische Luftwaffe und weitere Nato-Luftstreitkräfte abgeschossen.
Gleich am nächsten Tag besuchte eine polnische Delegation auf der Rüstungsmesse DSEI (Defence & Security Equipment International) in London den Stand des Rüstungskonzerns Rheinmetall. Das Ziel ihres gesteigerten Interesses: der Skyranger 30, ein mobiles Flugabwehrsystem, das ähnlich wie ein Panzer aussieht und dafür geeignet ist, Drohnen abzuschießen. „Das Eindringen der Drohnen in den polnischen Luftraum hat aus theoretischem Verteidigungsbedarf dringenden Beschaffungsbedarf gemacht“, konstatierte MWB-Analyst Jens-Peter Rieck.
Der Skyranger macht den Abschuss von Drohnen vor allem preisgünstig. Das ist es, worum es derzeit nach Einschätzung von Experten geht. Drohnen können zwar durch Kampfjets mit Raketen abgeschossen werden. Aber das ist viel zu teuer, und Kriege werden in Zukunft immer stärker dadurch entschieden, wer den Konflikt kosteneffizient zu führen in der Lage ist.
Raketen zu teuer als Drohnenabwehr
„Es macht absolut keinen Sinn, eine 200.000 oder 500.000 Dollar teure Waffe gegen eine 20.000 Dollar teure Drohne einzusetzen”, sagte Rheinmetall-Chef Armin Papperger. Der Preis für Drohnen werde wahrscheinlich weiter fallen, und „wir haben ein System, das Drohnen für 5.000 Dollar bekämpft und das wirtschaftlich sehr sinnvoll ist”.
Die Drohnen und der Skyranger sind nur ein Beispiel dafür, wie Effizienz im Rüstungssektor Einzug hält. Ein weiterer Weg ist die Konsolidierung durch Zusammenschlüsse. Die jüngste Übernahme im Rüstungssektor ist der Kauf der bisher familiengeführten Kriegsschiffwerft Naval Vessels Lürssen (NVL) mit 2.000 Beschäftigten und 1,3 Mrd. Euro Umsatz für einen Kaufpreis von 1,35 Mrd. Euro durch Rheinmetall. Der Rüstungskonzern mit Sitz in Düsseldorf steigt damit erstmals in das Geschäft mit der Produktion vollständiger Fregatten und Korvetten ein, nachdem er bisher nur Geschütze für solche Kriegsschiffe angeboten hatte.
Jeder redet mit jedem
„Künftig werden wir zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Weltraum ein relevanter Akteur sein. Rheinmetall entwickelt sich damit zum Domänen-übergreifenden Systemhaus“, erklärte Konzernchef Papperger. NVL habe Aufträge über mehr als 5 Mrd. Euro in den Büchern und könne noch zulegen. In einer Präsentation für Analysten legte Papperger Zahlen vor, die zeigen, dass allein die deutschen Rüstungsausgaben für Kriegsschiffe, die bis 2029 nur bei 1 Mrd. Euro liegen, bis 2030 auf 31 Mrd. Euro nach oben schießen. Der Grund ist die Bedrohung in der Ostsee durch Russland. Allein den adressierbaren Marine-Markt in Deutschland schätzt Morgan Stanley-Analystin Marie-Ange Riggio auf 53 Mrd. Euro bis 2035.
Insidern zufolge hatte Rheinmetall auch ein Auge auf die Thyssenkrupp-Marinetochter TKMS geworfen – ohne Erfolg. Thyssenkrupp bereitet inzwischen eine Abspaltung und eine separate Börsennotierung für den U-Boot- und Kriegsschiffbauer vor. Der Einstieg von Rheinmetall in den Überwasserbereich unterstreiche „die strategische Bedeutung des gesamten maritimen Verteidigungssektors“, erklärte TKMS. „Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen modernisieren Marinen weltweit ihre Flotten.“
Über Konsolidierung wird meist nur geredet
Ein erster Schritt zur Konsolidierung in der Branche ist nun getan. Solche Übernahmen wie die von NVL oder der Kauf der Militärlastwagensparte von Iveco durch Leonardo für 1,7 Mrd. Euro sind aber eher eine Seltenheit. In der Branche wird seit Jahren über eine Konsolidierung in Deutschland und Europa gesprochen. „Jeder redet mit jedem“, sagten Vertreter der Unternehmen bisher. Einen Durchbruch gab es aber bislang nicht. Vermutlich deshalb, weil jeder Nationalstaat die Arbeitsplätze, die mit der Rüstung verbunden sind, im eigenen Land behalten will.

Aus diesem Grund wird bei europäischen Projekten auch peinlich genau auf die Machtbalance geachtet. Dass Frankreich die Federführung beim neuen europäischen Kampfflugzeug hat, wird dadurch ausgeglichen, dass Deutschland die Federführung beim neuen europäischen Kampfpanzer erhielt. Beim deutsch-französischen Panzerbauer KNDS, der aus dem Zusammenschluss des Leopard-Herstellers Krauss-Maffei Wegmann und der französischen Nexter entstanden ist, könnte demnächst die Bundesregierung einsteigen, indem sie Aktienpakete der deutschen Eigentümerfamilien übernimmt, um so die Machtbalance zu erhalten, da die Hälfte der Anteile dem französischen Staat gehört. Auch ein Börsengang von KNDS wird vorbereitet.
Panther gegen Leopard
Regelrechte Zusammenschlüsse oder sogar Übernahmen sind dagegen selten in Europa – vor allem, wenn es um grenzüberschreitende Fusionen geht. Eher wird auf Gemeinschaftsunternehmen oder Beteiligungen gesetzt. Ein Beispiel dafür ist das Joint Venture von Rheinmetall mit dem italienischen Konzern Leonardo. Das Gemeinschaftsunternehmen baut in La Spezia den Kampfpanzer Panther als Konkurrenz für den Leopard 2 von KNDS. KKR war bis März 2022 am Tarnkappen-Enttarnungs-Spezialisten Hensoldt beteiligt, bei dem inzwischen der Bund 25% hält. Der KKR-Rivale Carlyle bemühte sich monatelang um einen Kauf von TKMS, der aber nicht stattfand. KNDS stieg beim Panzergetriebebauer Renk ein, und Leonardo beteiligte sich bei Hensoldt.
Schon alle diese kleinen Schritte waren schwierig. Noch größere Anstrengungen braucht das europäische „Projekt Bromo“. Dabei würden sich Leonardo, Airbus und Thales zusammentun, um eine europäische Alternative zu Elon Musks SpaceX und Starlink zu schaffen. Bisher geht wenig voran, weil die Italiener kaum Lust verspüren, die Verluste der Franzosen in deren Satellitengeschäft in ein Joint Venture zu übernehmen. Bemühungen der Bundeswehr über das Bremer Familienunternehmen OHB, an dem KKR beteiligt ist, Aufklärungssatelliten ins All zu schießen, haben einen Dämpfer erlitten: Sie konnten ihre Antennen nicht ausklappen.
Als nächstes das „Projekt Bromo“
Vorankommen könnte das „Projekt Bromo“ von Leonardo, Thales und Airbus noch 2025. Die drei Konzerne könnten noch in diesem Jahr eine erste Vereinbarung zur Zusammenlegung ihrer Satellitensparten unterzeichnen. Der Chef der Defence-Sparte von Airbus, Michael Schöllhorn, sagte kürzlich. „Wir sind auf dem richtigen Weg, aber vor einem so großen Schritt müssen noch einige Fragen geklärt werden.“ Ein solches Vorhaben erfordere einen zweistufigen Prozess, der aus einer Rahmenvereinbarung und einer anschließenden Phase bis zum Abschluss des Geschäfts bestehe. Er glaube, "dass die Unterzeichnung (einer ersten Vereinbarung) bereits 2025 stattfinden könnte.“