Notiert inNew York

Ewiger Sommer in den Hamptons

In den Hamptons scheint ewiger Sommer zu herrschen. Doch wird in dem Ostküstenparadies auch das gewaltige soziale Gefälle deutlich, das Amerika vor den Präsidentschaftswahlen im November beschäftigt.

Ewiger Sommer in den Hamptons

Notiert in New York

Ewiger Sommer in den Hamptons

Von Alex Wehnert

Noch strahlt der Himmel über dem alten Leuchtturm in Azur, doch über der östlichen See spannen sich finstere Wolken auf. Der dräuende Sturm schickt als Vorboten eine steife Brise, die Sand aufwirbelt und über den Blaustrandhafer in den Dünen rollt, in den gewohnten Duft von Salz und Seetang schleicht sich eine schwefelsaure Note ein. Die Tagesausflügler, die sich hier an der äußersten Spitze Long Islands noch des Wetters erfreuen und am mit dünnen Schneedecken gesprenkelten Strand begeistert Muschelschalen und obsidian- oder bernsteinfarbene Felssplitter sammeln, müssen sich schon bald durch heftige Windböen und Hagelschauer ihren Weg zurück ins Dörfchen Montauk erkämpfen.

Megastars auf kleiner Bühne

Die 3.500-Seelen-Gemeinde in Suffolk County, im deutschen Sprachraum durch eine Erzählung Max Frischs bekannt, ist wie die nahen Städte Southampton und East Hampton aufgrund der umliegenden, rau-romantischen Küstennatur beliebtes Ausflugsziel der New Yorker. Die Saison auf Long Island beginnt eigentlich zwar erst Ende Mai, im laufenden Jahr hat sie aber trotz Schneestürmen bereits im Februar ihre Fühler ausgestreckt. Die Kunstgalerien in Ortschaften wie Sag Harbor locken schon die Besucher, viele Wanderwege in den State Parks sind begehbar und Treffs wie die "Rowdy Hall" in Amagansett gut gefüllt. Eine Tür weiter, im "Stephen Talkhouse", sind in den vergangenen Jahrzehnten Megastars wie Billy Joel, Paul McCartney, Paul Simon und Sting aufgetreten, nun spielen Szenebands dort die ersten Konzerte des Jahres.

In den Hamptons herrscht also selbst bei Schneefall gefühlt ewiger Sommer. Doch zeigen sich in dem kleinen Ostküstenparadies eben auch die Spuren des gewaltigen sozialen Gefälles, das Amerika zwar schon seit Jahrzehnten prägt, vor den Präsidentschaftswahlen im November aber noch einmal besonders in den Fokus rückt.

Astronomische Preisniveaus

Während sich die Hälfte aller US-Mieter laut einer Studie der Universität Harvard die hohen Ausgaben fürs Wohnen nicht mehr leisten kann und private Immobilieneigentümer in New York unter gewaltigen Kosten für Reparaturen und Instandhaltung ächzen, wechseln die mit aufwendigem Sichtschutz ausgestatteten Strandvillen der Schönen und Reichen an der Spitze Long Islands wiederholt für astronomische Summen die Besitzer. Derweil rufen die Nobelsupermärkte in den Hamptons Preise auf, bei denen es Einwohnern Harlems oder der Bronx, die schon für den Kauf eines Bunds Lauchzwiebeln in ihrem örtlichen Lidl oder Foodtown fast eine Finanzierung aufnehmen müssen, schwindlig wird.

Obwohl die Federal Reserve im Kampf gegen die Inflation beachtliche Erfolge erzielt hat, wichtige Konjunkturindikatoren einen Aufwärtstrend aufweisen und die US-Aktienbenchmarks in Rekordhöhen notieren, fällt der Blick eines Großteils der Amerikaner auf die eigene Wirtschaft aufgrund der noch immer hohen Preisniveaus äußerst pessimistisch aus. Auch für die Regierung von Präsident Joe Biden türmen sich vor den Wahlen damit finstere Wolken auf.

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