Paris

Explosive Stimmung in der Karibik

Die Übersee-Départements Guadeloupe und Martinique werden derzeit von Protesten gegen die französischen Anti-Corona-Maßnahmen schwer getroffen – bis hin zu Plünderungen. Ursache sind aber auch die hohen Lebenshaltungskosten und die Arbeitslosigkeit.

Explosive Stimmung in der Karibik

Es war ein Ereignis, das nur wenige Minuten dauerte. Und doch drängten sich hinter den Absperrungen auf den Champs-Élysées 110000 Menschen, um dabei zu sein, als Sängerin Clara Luciani begleitet von Bürgermeisterin Anne Hidalgo am Sonntag auf den Knopf drückte, um die weihnachtliche Festbeleuchtung der berühmten Avenue einzuschalten. Dafür hat der Beleuchtungsspezialist Blachère Illuminations im Auftrag des Komitees der an den Champs-Élysées ansässigen Einzelhändler und Gastronomen 400 Bäume mit insgesamt 80 Kilometer langen, roten Lichterketten geschmückt. 2020 hatte es zum Einschalten der Festbeleuchtung wegen der damals geltenden Coronabeschränkungen nur eine virtuelle Zeremonie ge­geben.

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Gar nicht zum Feiern zumute ist dagegen den Einzelhändlern im Übersee-Département Guadeloupe. Die Karibikinsel wird bereits seit einer Woche von gewaltsamen Protesten gegen Covid-Impfungen und den Corona-Gesundheitspass er­schüttert, der in Frankreich für den Zugang zu Restaurants und Cafés, kulturellen Einrichtungen, Sportstadien und Fernreisen erforderlich ist. Da Kranken- und Altenpfleger, Rettungskräfte und Feuerwehrleute in Frankreich inzwischen ohne Gehalt beurlaubt werden, wenn sie nicht geimpft sind, hatten Gewerkschaften zu den Protesten aufge­rufen.

Seitdem legen Straßenblockaden und Streiks das Leben auf der Insel lahm. Sie kommt gerade mal auf eine Impfquote von 33% – im Rest Frankreichs sind es rund 75%. Am Rande der Proteste kommt es immer wieder zu gewaltsamen Ausschreitungen und Plünderungen. Polizisten und Feuerwehrleute wurden mehrfach beschossen, als sie in Brand gesteckte Autos löschen und Straßensperren wegräumen wollten.

Mehr als 80 Geschäfte seien geplündert worden, sagte der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer von Guadeloupe Patrick Vial-Collet dem Radiosender France Inter Montag. Es habe sich eine Art Guerilla vor allem junger Leute gebildet, die nachts Unternehmen plünderten und Material beschädigten. Sie nähmen gerne Juwelier- und Sportgeschäfte, Telefonläden und Baumärkte ins Visier. Denn die dort erbeutete Ware lasse sich gut weiterverkaufen. Aber auch Lebensmittelgeschäfte und Apotheken wurden geplündert.

Vial-Collet und andere Unternehmer von der Insel hoffen nun, dass ein Treffen von Premierminister Jean Castex mit Regionalpolitikern hilft, Verhandlungen mit den Ge­werkschaftsvertretern aufzunehmen, die zu den Protesten aufgerufen hatten. Innenminister Gérald Darmanin hatte am Wochenende neben 2200 zusätzlichen Polizeikräften auch Spezialeinheiten nach Guadeloupe entsandt. Die Lage auf der Insel sei explosiv, gab Präsident Emmanuel Macron zu.

Auf der Nachbarinsel Martinique haben Gewerkschaftsvertreter nun ebenfalls zum Generalstreik aufgerufen. Aus Furcht vor Straßenblockaden wie auf Guadeloupe kam es am Wochenende zu zahlreichen Hamsterkäufen. Beide Übersee-Départements sind neben der Landwirtschaft stark vom Tourismus abhängig. Da die meisten Waren vom französischen Festland importiert werden, ist das Leben auf den beiden Inseln relativ teuer. Zudem gibt es dort mehr Arbeitslose als im restlichen Land. So beträgt die Arbeitslosenquote auf Guadeloupe 17%, auf Martinique 12%. Zum Vergleich: Klammert man die Übersee-Départements aus, betrug die Arbeitslosenquote zuletzt 7,8%. Die Proteste richten sich deshalb nicht nur gegen den Impfzwang für bestimmte Berufsgruppen und den Gesundheitspass, sondern auch gegen die steigenden Benzinkosten und fehlende Arbeitsplätze.

Damit gibt es durchaus Parallelen zu der Protestbewegung der Gelbwesten, die Samstag in Paris mit einer Demonstration ihr dreijähriges Bestehen feierte. Die Gilets Jaunes kritisieren neben den hohen Benzin- und Lebenshaltungskosten ebenfalls die Impfungen und den Gesundheitspass. Mehrere Vertreter der Bewegung wollen nun für die Präsidentschaftswahlen im April kandidieren, doch sie dürften Mühe haben, die dafür erforderlichen 500 Patenschaften von Bürgermeistern und Abgeordneten zusammenzubekommen.