Expressmetropole Berlin
Notiert in Berlin
Expressmetropole
Von Angela Wefers
An Selbstbewusstsein fehlt es den Berlinern nicht, auch nicht an Humor. In den Postkartenständern der Hauptstadt geht es heiter zu. Grüße nach Hause lassen sich auf einer knallroten Berlin-Karte verschicken: "Wir können alles. Außer Flughafen, S-Bahn, Fußball." Letzteres stimmt für die Hertha. Union rettet in der Bundesliga immerhin den Ruf Berlins. Die größten Feinde der S-Bahn, dies weiß jeder Berliner, sind Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Kein Wunder also, dass Bahnfahrer selten überrascht sind, wenn zentrale Verbindungen immer wieder kurzfristig ausfallen oder wochenlang wegen Sanierungsarbeit stillliegen. Das Netz ist alt und marode. Zum Flughafen BER muss man kein weiteres Wort verlieren.
Langsamer als andernorts
Bauprojekte gehen in Berlin bekanntlich langsamer voran als andernorts. Gleichwohl hat die schwarz-rote Koalition hochfliegende Pläne, den Verkehr in der Hauptstadt attraktiver zu machen und die U-Bahn auszubauen. Verkehrssenatorin Manja Schreiner (CDU) und Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) verliehen dem nun demonstrativ Rückenwind. Dieser Tage spazierten sie mit den Spitzen der Berliner Verkehrsbetriebe BVG über mehrere Betriebshöfe. Im März hatte die BVG einen großen Wurf zum Ausbau der neun Berliner U-Bahn-Linien präsentiert. Das Streckennetz würde damit auf 318 Kilometer verdoppelt. Die meisten Linien sollen bis zum Stadtrand verlängert werden. Mit der Verlängerung der U7 würde sogar das U-Bahn-Netz, oh Wunder, irgendwann an den Flughafen BER angebunden. Der Zeitplan ist aber offen. Die Kosten für diese 8 Kilometer lange Strecke schätzte Giffey, im Frühjahr noch Regierende Bürgermeisterin, auf 811 Mill. bis 890 Mill. Euro je nach Trassenführung. Zum BER bringt die Reisenden bislang nur eine Busverbindung von der U7-Endstation – Umsteigen mit Koffer inklusive – oder die S- beziehungsweise Regionalbahn aus der Innenstadt. Ihr Konzept hat die BVG "Expressmetropole" genannt. Da könnte Berlins Witz durchblitzen. Vielleicht soll der Name aber auch nur Hoffnung spenden.
Die BVG schreckt auch nicht vor dem Vorschlag zurück, in Berlin eine völlig neue Ringlinie als U0 zu bauen. Ein Ring schafft in der Tat praktische Umsteigemöglichkeiten. Aber die S-Bahn hat schon eine Ringbahn. Die S-Bahn wird allerdings von der Konkurrenz, vom Bundesunternehmen Deutsche Bahn, betrieben, und nicht von der landeseigenen BVG. Schneller wirken kleine Schritte, etwa Lücken bei der Verbindung zwischen U-Bahn und S-Bahn zu schließen. Dies ist nun im Südwesten Berlins, im wohlsituierten Zehlendorf, in die Wege geleitet: Die Verkehrssenatorin hat die Finanzierung von 9,5 Mill. Euro für eine Strecke von 800 Metern zugesagt. Baubeginn ist 2026, wenn alles geplant und genehmigt ist.
Ab mit dem Roller
Bis dahin könnten alternative Verkehrskonzepte weiterhelfen. Die allgegenwärtigen E-Scooter, Stolperfallen auf vielen Bürgersteigen, dürften sich alsbald in Berlin noch vermehren. Paris verbietet nach viel Streit und einer Bürgerbefragung die Leihroller in der Innenstadt. Die Anbieter wollen die 15.000 Gefährte aber nicht verschrotten, sondern damit umziehen. Die deutsche Hauptstadt ist dabei eine der neuen Destinationen.