LeitartikelGeldpolitik

Fed gefangen im Dilemma des Mandats

Schwacher Arbeitsmarkt, hohe Inflation: Die Fed kann mit ihrer Geldpolitik derzeit nicht beiden Aufgaben gleichzeitig gerecht werden. Die Zeichen stehen auf Zinssenkungen.

Fed gefangen im Dilemma des Mandats

US-Notenbank

Gefangen im Dilemma des Mandats

Von Martin Pirkl

Schwacher Arbeitsmarkt, hohe Inflation: Die Fed kann mit ihrer Geldpolitik derzeit nicht beiden Aufgaben gleichzeitig gerecht werden. Die Zeichen stehen auf Zinssenkungen.

Während die EZB angesichts einer Inflation von exakt 2% relativ entspannt in die Zukunft blicken kann, befindet sich die Fed in einer Lage, um die sie kein Notenbanker weltweit beneidet. Für diese missliche Situation braucht es noch nicht mal die ständigen Angriffe der US-Regierung auf die Unabhängigkeit der Fed. Dafür reicht ein Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung der USA und auf das duale Mandat der Notenbank.

Betrachten die US-Währungshüter rein ihr Mandat der Preisstabilität, dann spricht fast nichts für eine Zinssenkung im September. Und dennoch ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Jerome Powell bei seinem letzten Auftritt als Fed-Chef in Jackson Hole Ende der Woche genau das ankündigen wird. Dieser Schritt bahnt sich an mit Blick auf das zweite Mandat der US-Notenbank, die Vollbeschäftigung.

Sorge vor Rezession

Der jüngste Arbeitsmarktbericht war ein Schock. Nicht deshalb, weil im Juli deutlich weniger neue Stellen entstanden sind als allgemein erwartet. Sondern, weil die Statistiker die Zahlen für Mai und Juni extrem stark nach unten revidiert haben. Statt der zunächst gemeldeten 291.000 neu geschaffene Stellen außerhalb der Landwirtschaft gab es in den beiden Monaten mickrige 33.000. Die Sorge geht um, dass die US-Wirtschaft in eine Stagnation oder gar Rezession rutschen könnte – und die Fed mit Zinssenkungen bereits zu spät dran ist.

Die Arbeitslosenquote machte im Juli nur deshalb keinen großen Sprung nach oben, weil die restriktive Einwanderungspolitik der US-Regierung zu deutlich weniger Migration geführt hat. Dennoch: Es wird immer klarer, dass die Zollpolitik Donald Trumps der US-Wirtschaft stark schadet und die Lage am Arbeitsmarkt ebenfalls verschlechtert. Das Mandat der Vollbeschäftigung schreit nach deutlichen Zinssenkungen der Fed.

Viel zu hohe Inflation

Ganz anders sieht es mit dem Mandat der Preisstabilität aus. Auch ohne die sich anbahnenden inflationären Effekte der Zölle liegt die Teuerung mit 2,7% deutlich über dem Zielwert der Fed. Durch die Zölle könnte sich die Inflation nach Einschätzung vieler Ökonomen für eine lange Zeit über 3% festsetzen. Denn ein Großteil der trumpschen Zeche wird nicht der ausländische Exporteur oder das importierende amerikanische Unternehmen zahlen, sondern der US-Verbraucher. Es droht ein Einbruch des Konsums, der für das Wirtschaftswachstum der USA extrem wichtig ist. Die schlechte Konjunktur reduziert zwar den Spielraum von Unternehmen für Preiserhöhungen. Dennoch werden sich die Konsumenten auf stark steigende Preise einstellen müssen.

Darauf deuten die US-Erzeugerpreise hin, die zuletzt stark gestiegen sind. Ein Vorbote für die Verbraucherinflation, da die amerikanischen Unternehmen die höheren Kosten nur zu einem Teil durch eine geringere Marge decken werden. Für die Fed wird die entscheidende Frage sein, ob die Inflationsrate nur einmalig wegen der Zölle steigen wird oder eine Spirale in Gang kommt. Letzteres müssen die Währungshüter verhindern.

Zweifel an der Fed

Dabei spielen die Inflationserwartungen der Unternehmen und Verbraucher eine zentrale Rolle. Sie dürfen nicht zu stark steigen, da ansonsten Ausgaben nach Möglichkeit von der Zukunft in die Gegenwart verschoben werden. In der Folge steigt tatsächlich der Inflationsdruck. Ein Problem für die Fed ist dabei der politische Angriff auf die Unabhängigkeit der Institution. Verlieren zu viele Beobachter das Vertrauen darin, dass sich die Fed auch künftig dem Mandat der Preisstabilität verpflichtet fühlt, steigen die Inflationserwartungen.

Insofern erwartet Jerome Powell in Jackson Hole ein Balanceakt. Sollte er wie erwartet signalisieren, dass eine Zinssenkung der Notenbank im September ansteht, muss er glaubhaft darlegen, dass dies anhand ökonomischer Daten gerechtfertigt ist. Denn eins ist klar, der US-Präsident würde eine Lockerung als einen Erfolg seines politischen Drucks verkaufen – und damit der Fed und der US-Wirtschaft weiter schaden.