KommentarKlimaschutz

Fehlende Verkehrswende

Deutschland muss in der Klimapolitik in vielen Bereichen noch nachlegen, sollen die Ziele bis 2030 ernsthaft erreicht werden. Klar ist allerdings, dass sich der Fokus stärker auf den Verkehrssektor richten muss.

Fehlende Verkehrswende

Klimaschutz

Fehlende Verkehrswende

Von Andreas Heitker

Das Urteil des unabhängigen Expertenrates über das aktuelle Klimaschutzprogramm der Bundesregierung ist längst nicht so vernichtend ausgefallen, wie erste Kommentare von Umweltverbänden glauben machen möchten. Von einem "substanziellen Beitrag" zur CO2-Senkung ist in dem Gutachten nämlich auch die Rede und von einem Maßnahmenbündel, das "signifikante Treibhausgasminderungen ermöglicht", ebenso. Dass noch immer eine Lücke auf dem Weg zu den CO2-Zielen 2030 bleibt, ist keine große Überraschung, ist doch die große Schwachstelle in der deutschen Klimapolitik längst bekannt: die Verkehrspolitik. Während die Koalition nämlich versucht, die Energiewende mit immer neuen Maßnahmen voranzutreiben, während – unter großen Schmerzen – im vergangenen Halbjahr die Wärmewende im Gebäudesektor angegangen wurde und während die grüne Transformation der Industrie immer neue Unterstützung erhält, sind im Verkehrssektor die Ambitionen immer noch bescheiden. Für die im neuen Projektionsbericht für 2030 erwartete "Klimaschutz-Lücke" ist der Verkehrsbereich zu rund zwei Dritteln verantwortlich. Dass die Berliner Koalition auf europäischer Ebene auch noch das eigentlich schon beschlossene Verbrennerverbot wieder eingefangen hat, spielt dabei noch nicht einmal eine Rolle.

Natürlich: Die Koalition hat sich zu einem deutlichen Ausbau des Schienennetzes durchgerungen und zu einer teilweisen Finanzierung auch durch eine höhere Lkw-Maut. Und auch das 49 Euro teure Deutschlandticket ist sicherlich ein Fortschritt. Aber selbst hier sind die genauen Folgewirkungen nicht klar. Das Verkehrsministerium rechnet bei dem Ticket mit CO2-Einsparungen bis 2030 von 22 Millionen Tonnen, das Wirtschaftsministerium nur mit 4 Millionen Tonnen. Wieviel Optimismus hätten Sie denn gerne? Die gleiche Frage ließe sich bei den großzügigen Prognosen zur Ausweitung von Homeoffice auf den Verkehrsbereich stellen. Der Pkw-Individualverkehr kommt dagegen – so kritisiert es auch der Expertenrat – in dem umfangreichen Klimaschutzprogramm der Koalition gar nicht vor.

Deutschland muss in der Klimapolitik noch nachlegen, sollen die Ziele bis 2030 ernsthaft erreicht werden. Daran hat das Gutachten des Expertenrates jetzt noch einmal erinnert. Dazu sind noch Anstrengungen in vielen Bereichen notwendig. Klar ist aber auch, dass sich der Fokus stärker auf den Verkehrssektor richten muss. Das zuständige, von Volker Wissing geführte Ministerium muss so langsam einmal ein schlüssiges Klimakonzept auf den Tisch legen.

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