Standortwettbewerb

Frankfurt, Paris, Wien ringen um Anti-Geldwäsche-Behörde

Frankfurt hofft, sich mit Unterstützung aus Berlin als Standort für die europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA empfehlen zu können. Eine Arbeitsgruppe ist schon aktiv. Harte Konkurrenz droht aus Wien.

Frankfurt, Paris, Wien ringen um Anti-Geldwäsche-Behörde

Wien, Paris und Frankfurt laufen sich im Rennen um die geplante europäische Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA warm. Hessen habe gemeinsam mit dem Bund eine Arbeitsgruppe eingesetzt, um die Bewerbung Frankfurts vorzubereiten, sagt die hessische Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich, der Börsen-Zeitung. Besetzt ist sie mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums sowie des hessischen Europa- und des Finanzministeriums. „Die Landesregierung wirbt bereits seit den ersten Ideen auf europäischer Ebene dafür, die geplante EU-Geldwäscheagentur in Frankfurt anzusiedeln“, sagt Puttrich. In der Landeshauptstadt werden demnach die Argumente für die Mainmetropole zusammengetragen und Berlin zugeliefert. Eine Bewerbung, so ist andernorts zu hören, könnte schon vor der Bundestagswahl Ende September fertig sein.

Zwei Jahre Vorbereitung

In Wiesbaden bereite man sich in der Annahme, dass eine Behörde geschaffen werden dürfte, schon seit sage und schreibe zwei Jahren auf eine Bewerbung vor, heißt es aus Wiesbaden. Puttrich wirbt in Brüssel mit Frankfurts Innovationskraft und gut ausgebildeten Beschäftigten, dem Sitz der EZB und der europäischen Versicherungsaufsichtsbehörde EIOPA sowie der Internationalität des Standorts. Auch auf nationaler Ebene sind die Hessen aktiv: Die Landesregierung bringt für die Plenarsitzung des Bundesrats am 17. September eine Initiative ein, mit der sie die Bundesregierung auffordert, „aktive innereuropäische Standortpolitik“ zu betreiben und „sich auf europäischer Ebene im Sinne des Finanzplatzes Deutschland einzusetzen“.

Das Drängen der Landesregierung sowie von Bankenverband BdB und Fondsverband BVI, dass sich auch die Politik für die AMLA-Ansiedlung starkmachen solle, ist die Folge der Erfahrungen aus 2017: Tief sitzt die Enttäuschung darüber, dass Paris damals mit der Bewerbung für die aus London abziehende europäische Bankenregulierungsbehörde EBA Frankfurt den Rang ablief. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte sich höchstselbst ins Zeug gelegt, derweil hierzulande das politische Spitzenpersonal durch Koalitionsgespräche auf Bundesebene abgelenkt war.

Dergleichen kann diesmal nicht als Begründung für womöglich unzureichendes Engagement aus Berlin herhalten, Bundestagswahl am 26. September und folgende Regierungsbildung hin oder her. Die Standortfrage komme sich mit dem Wahlprozedere nicht ins Gehege, weil sie ziemlich sicher erst später entschieden werde, heißt es . Wann genau, steht zwar noch nicht fest. Spekuliert wird aber über das zweite Halbjahr 2022. Dass die Entscheidung noch in diesem Jahr fällt, scheint unrealistisch. Auch das erste Halbjahr 2022 gilt als unwahrscheinlich, weil die französische Regierung, die ja höchstwahrscheinlich mit einer Bewerbung für Paris an den Start geht, dann die Ratspräsidentschaft innehat und daher kaum eine Wahl des Standorts abhalten wollen wird.

Offiziell ist aus Paris in Sachen AMLA noch wenig zu vernehmen, doch wäre alles andere als eine Kandidatur überraschend. Die Franzosen dürften ähnlich wie bei der EBA auf den weltstädtischen Flair ihrer Kapitale samt aller kulturellen und infrastrukturellen Annehmlichkeiten abstellen. Obendrein dürften sie echte oder vermeintliche Vorzüge eines Aufsichtsclusters schmackhaft zu machen versuchen, das sich durch die zu EBA und Wertpapierbehörde ESMA stoßende AMLA ergeben würde. Einen nur vagen Hinweis, worauf es bei der Standortentscheidung ankommt, liefert §82 des Verordnungsentwurfs zur AMLA. „Der Aufnahmemitgliedstaat der Behörde schafft die bestmöglichen Voraussetzungen für ein reibungsloses Funktionieren der Behörde, einschließlich eines mehrsprachigen, europäisch ausgerichteten Schulwesens und geeigneter Verkehrsverbindungen“, heißt es dort.

Jetzt werde die deutsche Politik ihre Chance zu ergreifen versuchen, glaubt der Chefjustiziar des Bankenverbandes, Thorsten Höche: „Dass die EBA-Ansiedlung nicht optimal lief, haben ja auch die handelnden Personen in der Politik konzediert. Ich gehe davon aus, dass diesmal die Gelegenheit beim Schopfe gepackt wird. Die Entscheider auf der politischen Ebene wissen, wann der richtige Zeitpunkt ist, um sich für den von ihnen favorisierten Standort einzusetzen.“ Er gibt aber zu bedenken, dass am Ende völlig andere Kriterien darüber bestimmen könnten, wo die AMLA angesiedelt wird: „Welcher Standort es wird, ist eine politische Entscheidung.“ Berücksichtigt würden womöglich Dinge, die heute gar nicht absehbar seien und unter Umständen wenig mit dem Geldwäsche-Regulierungspaket zu tun hätten.

Der Entschluss über den Standort obliegt den 27 EU-Mitgliedstaaten. Das Europaparlament hat kein Mitspracherecht, ist allerdings zuvor noch daran beteiligt, überhaupt die gesetzlichen Grundlagen für die neue Behörde zu schaffen. Denn über das im Juli von der EU-Kommission vorgelegte Geldwäsche-Paket müssen sich ja auch noch die Co-Gesetzgeber verständigen, bevor es in Kraft treten kann. Erste Arbeitsgruppen hierzu sind in Brüssel schon in der ersten September-Hälfte angesetzt.

Österreich prescht vor

Letztlich könnte ein Kandidat abseits des Favoritenfelds das Rennen machen. Rom sei beispielsweise interessiert, ist zu vernehmen. Besonders gute Chancen rechnet ein hochrangiger Vertreter der Finanzbranche aber Wien oder einer Stadt in Osteuropa zu. Frankfurt und Paris seien bereits gut bedient, nun komme um des EU-Proporzes willen ein Kandidat von dort an die Reihe, ist er überzeugt. Österreich hat nach eigenem Bekunden bereits schriftlich Ansprüche bei der EU-Kommission angemeldet. Wien führt seine zentrale Lage und Lebensqualität ins Feld und präsentiert sich als Gastgeberland für internationale Organisationen wie Vereinte Nationen und Weltbank. „Es ist kein Automatismus, dass die Anti-Geldwäsche-Behörde in einem großen Finanzzentrum angesiedelt ist“, heißt es auf Anfrage von Finanzminister Gernot Blümel.

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