Frankreichs riskanter Haushalt
Frankreichs riskanter Haushalt
Fiskalpolitik
Frankreichs riskanter Haushalt
Von Gesche Wüpper
Frankreich droht bei der Haushaltsdebatte ein weiterer Vertrauensverlust an den Märkten. Das wäre fatal für das Land.
Es ist ein Wettlauf mit der Zeit. Ein Wettlauf, dessen Ziel in immer weitere Ferne rückt, nachdem die Nationalversammlung den durch tausende Abänderungsanträge verwandelten Einnahmenteil des Haushaltsentwurfs abgelehnt hat. Dennoch will Frankreichs Premierminister Sébastien Lecornu nicht aufgeben. Es sei noch immer möglich, sich vor Ende des Jahres auf einen Haushaltsentwurf zu einigen, beschwor er jetzt die Abgeordneten. Lecornu weiß, dass Frankreichs Glaubwürdigkeit an den Märkten davon abhängt, ob es dem Parlament gelingt, sich trotz der zersplitterten Mehrheitsverhältnisse in der Assemblée Nationale auf einen Haushaltsentwurf zu verständigen und das hohe Defizit zu senken, ohne dass eine weitere Regierung stürzt.
Endlose Haushaltsdebatte
Die politische Dauerkrise, die Frankreich seit den vorgezogenen Parlamentswahlen 2024 durchlebt, verunsichert Unternehmen und Haushalte. Statt zu investieren, warten sie ab. Der Finanzplatz Paris leidet neben dieser Instabilität auch unter der hohen Staatsverschuldung Frankreichs von 114% in Relation zum BIP, der Abstufung des Landes durch mehrere Ratingagenturen und der teils stark übertriebenen sensationellen Negativ-Berichterstattung. Die endlose Haushaltsdebatte hat nicht gerade dazu beigetragen, die Sorgen von Investoren zu beseitigen. Statt nach glaubhaften Lösungen für den Defizitabbau zu suchen, überboten sich die Abgeordneten mit Blick auf die Präsidentschaftswahlen 2027 mit ideologisch geprägten Plänen, Steuern für Unternehmen und Vermögende zu erhöhen.
Erneut verkalkuliert
Wäre der abgeänderte Entwurf in dieser Form gekommen, wäre das Defizit 2026 mit 5,3% höher ausgefallen als eigentlich geplant. Lecornus Regierung hatte ursprünglich ein Defizit von 4,7% als Ziel genannt, es jedoch später revidiert. Es unter 5% senken, lautet die Devise, auch wenn bisher viel zu wenig über Einsparungen gesprochen wurde. In diesem Jahr ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone laut Regierung auf gutem Wege, das Defizit wie versprochen von 5,8% auf 5,4% zu senken. Und das, obwohl sich das Wirtschaftsministerium bei den durch die Mehrwertsteuer erwarteten Einnahmen erneut gründlich verkalkuliert hat, zum dritten Mal in Folge.
Verabschiedung ohne Abstimmung?
Wie die Senatoren jetzt mit dem Haushaltsentwurf umgehen, ist entscheidend für den weiteren Verlauf. Ein zwischen ihnen und den Abgeordneten der Assemblée getroffener Kompromiss könnte den Haushaltsprozess beschleunigen. Derzeit stehen die Chancen eher schlecht, da der konservativ dominierte Senat weniger Steuern und dafür mehr Einsparungen wünscht, was Unternehmen entgegenkäme. Manch ein Politiker unkt nun, dass die Regierung entgegen ihren Versprechen doch wieder auf Artikel 49.3 der Verfassung zurückgreifen müsse, um den Haushaltsentwurf ohne Abstimmung innerhalb der gesetzlich vorgeschriebenen Frist zu verabschieden.
Lecornus taktischer Schachzug
Ohne Haushalt für 2026 vor Ende des Jahres bliebe ihr noch die Möglichkeit, ein Spezialgesetz zu verabschieden, um den Haushaltsrahmen 2025 zu verlängern – so wie bereits vor einem Jahr nach dem Sturz der Regierung von Michel Barnier. Lecornu könnte das gleiche Schicksal wie Barnier drohen, denn die linksextreme Partei La France Insoumise will im Dezember einen Misstrauensantrag stellen. Um die Chancen für die Annahme eines Haushalts durch das Parlament zu erhöhen, plant Lecornu jetzt einen taktischen Schachzug. So will er die Abgeordneten schon bald über fünf „absolute Prioritäten“ abstimmen lassen: Defizitabbau, innere und äußere Sicherheit, die Reform des Staates, Energie und Landwirtschaft. Stimmen die Abgeordneten dafür, wird es später schwieriger für sie, einen Haushaltsentwurf abzulehnen, der diese Bereiche fördert.
Frankreich will Rekordsumme aufnehmen
Für die Regierung steht bei der Haushaltsdebatte jetzt nicht nur das eigene Überleben auf dem Spiel, sondern es droht auch ein weiterer Vertrauensverlust an den Märkten. Das wäre fatal. Immerhin will Frankreich 2026 dort eine Rekordsumme von 310 Mrd. Euro aufnehmen, während allein für den Schuldendienst 74 Mrd. Euro fällig werden.
