Frankreichs Vorbereitungen für danach
Notiert in Paris
Frankreichs Vorbereitungen für danach
wü Paris
von Gesche Wüpper
Die Entscheidung war noch nicht gefallen. Und doch haben sich am Wochenende alle fieberhaft auf die Zeit danach vorbereitet, auf den erwarteten Sturz der Regierung. Mögliche Kandidaten für die Nachfolge von Ministerpräsident François Bayrou, die so wie Wirtschaftsminister Eric Lombard, Verteidigungsminister Sébastien Lecornu und Arbeits- und Gesundheitsministerin Catherine Vautrin als kompatibel mit den Sozialisten gelten, haben mit Sondierungsgesprächen begonnen. Sympathisanten der neuen Protestbewegung Bloquons tout (Blockieren wir alles) wiederum haben auf örtlicher Ebene Aktionen für den 10. September vorbereitet. Sie wollen daran festhalten, egal ob die Regierung fällt oder nicht.
Wie genau ihre Proteste aussehen sollen, ist unklar, genau wie die Bewegung selbst. Die speziellen Diskussionsgruppen, die sie auf dem Messenger-Dienst Telegram gegründet hat, haben mehrere tausend Mitglieder. In einigen Regionen wollen sie Straßen, Raffinerien, Universitäten und andere Einrichtungen blockieren, in anderen auch den öffentlichen Verkehr. Zum Teil haben sich auch Gewerkschaftsvertreter den Protestaufrufen angeschlossen, genau wie die linksextreme Partei La France Insoumise (LFI).
Anhänger Mélenchons
Von einem Generalstreik, wie ihn sich LFI-Führer Jean-Luc Mélenchon wünscht, kann jedoch nicht die Rede sein. Denn die meisten Gewerkschaften wollen am 18. September ihren eigenen Protesttag organisieren. Spektakuläre Aktionen seien jedoch nicht auszuschließen, meint Innenminister Bruno Retailleau. Die Polizei wiederum fürchtet, dass es zu gewaltsamen Ausschreitungen kommen könnte.
Bloquons tout sei jedoch nicht mit der Gelbwestenbewegung von 2018/ 19 zu vergleichen, meint Soziologe Antoine Bristielle von der Fondation Jean Jaurès. Er hat für den Sozialisten nahestehenden Thinktank untersucht, wer hinter der neuen Protestbewegung steckt. Ergebnis: Vor allem junge, männliche, relativ gut gebildete Wähler Mélenchons. Was sie vereine, sei die Ablehnung von Präsident Emmanuel Macron, sagt Bristielle. Immerhin ist eines der Ziele Mélenchons, Macron zu vorgezogenen Präsidentschaftswahlen zu zwingen.
Arbeitgeber besorgt
Drei Jahre nach Macrons Wiederwahl sind viele Franzosen enttäuscht. Weder links noch rechts stehende Wähler sind zufrieden. Der Präsident habe sich mit seiner Wirtschaftspolitik geirrt, sagt die Unternehmerin Sophie de Menton, die dem liberalen Arbeitgeberverband ETHIC (Entreprises de taille humaine, indépendantes et de croissance) vorsteht. „Er wollte eine Hightech-Nation schaffen. Dabei hat er die kleinen und mittleren Unternehmen aus den Augen verloren“, kritisiert sie. „Dafür müssen wir jetzt bezahlen.“ Zusammen mit fünf anderen Arbeitgeberverbänden hat ETHIC gerade die Politik aufgerufen, angesichts der sich verschlechternden Wirtschaftslage Verantwortung zu übernehmen. „Das Land zu blockieren, wozu einige ermutigen, würde die Situation nur verschlimmern“, mahnen sie.