Im BlickfeldFranzösische Genossenschaftsbanken

Französische Genossen dominieren Heimatmarkt

Die Bankenlandschaft Frankreichs wird von Genossenschaftsbanken beherrscht. Ihre starke Stellung in ländlichen Gebieten hat historische Wurzeln.

Französische Genossen dominieren Heimatmarkt

Französische Genossen dominieren Heimatmarkt

Die Bankenlandschaft Frankreichs wird von Genossenschaftsbanken beherrscht. Ihre starke Stellung in ländlichen Gebieten hat historische Wurzeln.

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Von Gesche Wüpper, Paris

Das Interesse französischer Banken am deutschen Markt könnte nicht größer sein. Erst kündigte Crédit Mutuel im Frühjahr die Übernahme der Oldenburgischen Landesbank (OLB) an, dann nahm Crédit Agricole mit seinem neuen Strategieplan Deutschland ins Visier. Das führt auch eine Besonderheit des französischen Bankensektors vor Augen, denn bei beiden Kreditinstituten handelt es sich um Banken mit genossenschaftlichen oder halbgenossenschaftlichen Strukturen. 

Zwar wurde die Idee der Kreditgenossenschaften Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland geboren. Doch heute dominiert sie in Frankreich. So sind vier der sieben großen französischen Bankennetzwerke genossenschaftlich organisiert: Crédit Agricole, Crédit Mutuel sowie die unter dem Dach der Gruppe BPCE vereinten Volksbanken Banque Populaire und Sparkassen Caisse d’Epargne. Diese drei Gruppen gehören auch zu den sechs Großbanken, die in der konsolidierten französischen Bankenlandschaft vorherrschen. 

Ländliche Wurzeln

Zu verdanken haben Frankreichs Genossen das auch der Tatsache, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft lange ein Agrarstaat war. Darauf beruhe die Entwicklung der Genossenschaftsbanken, erklärt Finanzprofessor Hervé Alexandre von der Université Paris Dauphine – PSL. Nach ihrer Gründung hätten sie das Finanzierungsmodell der zahlreichen landwirtschaftlichen Kooperativen angenommen, die damals entstanden seien. Während Crédit Agricole und Crédit Mutuel vor allem Landwirte finanzierten, richtete sich das Angebot der Banque Populaire eher an Handwerker und kleine Händler. 

Gleichzeitig hätten Banken wie Crédit Lyonnais, Société Générale und die in BNP Paribas aufgegangene Banque de Paris et des Pays-Bas kein Interesse daran gehabt, sich außerhalb der Städte zu entwickeln, so Alexandre. Diese Lücke nutzten die Genossen. Später profitierten sie erst von der Förderung durch den Staat, dann nach dem Zweiten Weltkrieg davon, dass sie im Gegensatz zu den vier Großbanken Crédit Lyonnais, Société Générale, Comptoir national d’escompte de Paris und der Banque nationale pour le commerce et l’industrie nicht verstaatlicht wurden, sondern weiter privatwirtschaftlich organisiert blieben. Als 1982 unter dem damaligen sozialistischen Präsidenten François Mitterrand Banken erneut verstaatlicht wurden, entkamen sie ein weiteres Mal.

Diversifizierung

Die historischen Wurzeln spiegeln sich auch heute noch wider, denn die genossenschaftlichen französischen Banken sind noch immer stark in ländlichen Gegenden und der Provinz vertreten, wie in Frankreich alle Regionen außerhalb der Hauptstadt Paris genannt werden.

Über das stärkste Netzwerk an Regionalkassen und Filialen verfügt Crédit Agricole, deren Einheit Crédit Agricole SA an der Börse notiert ist. Die Gruppe, die voriges Jahr Einnahmen in Höhe von 38,1 Mrd. Euro und ein Nettoergebnis von 8,64 Mrd. Euro verbuchte, hat sich in den vergangenen Jahrzehnten auch dank zahlreicher Übernahmen etwa von Indosuez (Vermögensverwaltung), Sofinco (Konsumentenkredite) und dem in LCL umbenannten Crédit Lyonnais (Privatkundengeschäft) diversifiziert. Nach dem Debakel um die inzwischen längst wieder verkaufte Griechenland-Tochter Emporiki läuft es für Crédit Agricole auch im Ausland wieder rund. Dank Zukäufen ist Italien inzwischen ihr zweitwichtigster Heimatmarkt. 

Hoher Marktanteil

Landwirtschaft spielt jedoch auch heute noch eine wichtige Rolle für Crédit Agricole. So kommt die Gruppe nach eigenen Angaben bei Landwirten in Frankreich auf einen Marktanteil von 80%. Sie ist regelmäßig mit eigenen Ständen auf Agrarmessen vertreten und hat dem Landwirtschaftssektor 2024 Kredite in Höhe von 8,7 Mrd. Euro zur Verfügung gestellt. Im kommenden Jahr will sie den ersten Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung auflegen. Zunächst versuchsweise mit 10 Mill. Euro ausgestattet, soll er helfen, den Generationenwechsel zu unterstützen.

Nach Crédit Agricole besitzt der von Straßburg aus gelenkte Crédit Mutuel das zweitgrößte Netzwerk. Die Mutter der deutschen Targobank besteht aus zwei Verbänden, Crédit Mutuel Alliance Fédérale und Crédit Mutuel Arkéa, der die beiden Regionalverbände der Bretagne und aus dem Südwesten vertritt. Ein Bruderstreit zwischen den beiden Einheiten, der Frankreich jahrelang in Atem gehalten hatte, wurde 2023 beigelegt. 

Genossen als Zeitungsverleger

Crédit Mutuel Alliance Fédérale gehört auch der 1998 übernommene Crédit industriel et commercial (CIC) sowie Mehrheitsbeteiligungen an der Internetbank Monabanq und dem Konsumkreditspezialisten Cofidis. Die Genossenschaftsbankengruppe, die voriges Jahr Einnahmen in Höhe von 19,3 Mrd. Euro und einen Nettogewinn von 4,5 Mrd. Euro verbuchte, ist zudem Eigner der ostfranzösischen Regionalzeitungsgruppe EBRA (Est Bourgogne Rhône-Alpes).

Filialschließungen nehmen zu

Banque Populaire und Caisse d’Epargne firmieren seit 2009 unter dem Dach von BPCE, der von den Einnahmen her mit zuletzt 23,3 Mrd. Euro die viertgrößte Bankengruppe Frankreichs nach BNP Paribas, Crédit Agricole und Société Générale. 2024 verbuchte sie ein Nettoergebnis von 3,5 Mrd. Euro. 2021 hat sie die ausstehenden Anteile an Natixis gekauft und ihre Investmentbank-Tochter von der Börse genommen. Dieses Jahr hat sie zudem die aus der Pleite von Banco Espírito Santo hervorgegangene Banco Novo übernommen, wodurch Portugal für sie zum zweitwichtigsten Markt im Privatkundengeschäft nach Frankreich wird.

Nachdem die Genossen in ihrem Heimatmarkt zunächst dem Druck, Filialen zu schließen, standgehalten hatten, reagieren sie nun darauf, dass die Kundenbesuche selbst in ländlichen Gegenden zurückgehen. Dort haben persönliche Gespräche mit dem Bankberater von Angesicht zu Angesicht noch einen höheren Stellenwert als in der Stadt. Seit Beginn des Jahres hätten sich die Filialschließungen bei einigen Regionalkassen von Crédit Agricole beschleunigt, beklagt die Gewerkschaft SUDCAM. Auch wenn die Genossenschaftsbanken nun Filialen zusammenlegen, verfügen sie noch immer über das dichteste Netz in Frankreich.