LEITARTIKEL

Freie Fahrt für Opel

Wenn die Realität zunehmend zur Satire wird, beschreibt Satire die Realität oft am besten. In der Kultserie "Die Simpsons" durfte der einfältige Familienvater Homer Simpson einst für einen fiktiven US-Autokonzern ein Fahrzeug entwerfen, um diesen...

Freie Fahrt für Opel

Wenn die Realität zunehmend zur Satire wird, beschreibt Satire die Realität oft am besten. In der Kultserie “Die Simpsons” durfte der einfältige Familienvater Homer Simpson einst für einen fiktiven US-Autokonzern ein Fahrzeug entwerfen, um diesen vor der Pleite zu retten. Gigantische Becherhalter, zahllose Hupen, ein besonders lärmender Motor und weitere kostspielige, sinnfreie Details machten das Auto “Homer” teuer und waren letztlich der wirtschaftliche Sargnagel des Unternehmens Powell Motors. Ganz so dämlich hat sich US-Autobauer General Motors sicher nicht angestellt, als über Jahre erfolglos versucht wurde, Opel/Vauxhall aus den roten Zahlen zu hieven. Im Ergebnis lief es dennoch fast auf das Gleiche hinaus: Es wurde am Kunden vorbei entwickelt – und das vor allem zu teuer. Marktanteile gingen verloren und binnen zwei Jahrzehnten türmte sich ein Verlustberg von 19 Mrd. Euro auf.Wie leicht es für Opel offenbar besser hätte laufen können, zeigt sich seit gut zwei Jahren unter Führung der neuen französischen Mutter PSA Peugeot-Citroën. Binnen kürzester Zeit wurden die Rüsselsheimer auf Profit getrimmt, die Modellpalette reduziert und die gemeinsam genutzten Teile mit der PSA-Gruppe erhöht – wobei der Markenauftritt ein eigener bleibt. Knapp ein Drittel der Belegschaft der deutschen Opel-Werke wurde über Vorruhestandsregelungen und freiwillige Abfindungsangebote sanft aus dem Unternehmen gedrängt – ohne betriebsbedingte Kündigungen. Resultat: Opel hat im ersten Halbjahr einen hohen dreistelligen Millionenbetrag zum steigenden Ergebnis von PSA beigetragen.Zugleich ist Opel-Chef Michael Lohscheller als erster Deutscher in den vierköpfigen Vorstand des französischen Autobauers aufgerückt. Das zeugt einerseits von der hohen Bedeutung, die die Marke mit dem Blitz bei den Franzosen auch langfristig behalten soll. Andererseits zeigt sich hier auch die Wertschätzung, die Lohscheller, der einst von VW zu Opel wechselte, mittlerweile bei PSA-Chef Carlos Tavarez genießt. Denn auch ohne betriebsbedingte Kündigungen musste der Betriebsrat einige Kröten schlucken. Umstritten ist etwa nach wie vor die Auslagerung großer Teile des Entwicklungszentrums in Rüsselsheim an den französischen Entwicklungsdienstleister Segula. Auch andere Maßnahmen dürften nicht nur Freude auslösen. So wurde diese Woche beschlossen, im Warenverteilzentrum in Rüsselsheim 200 von 300 Stellen zu streichen. Die Mitarbeiter sollen intern an anderer Stelle zum Einsatz kommen, wo sie mehr benötigt werden.Auch wenn solche Umschichtungen bei den Mitarbeitern erfahrungsgemäß auf viel Widerstand treffen, sammeln Lohscheller und Tavarez derzeit viel gute Argumente für ihren Kurs – vor allem dank der Konkurrenz. Während andere Autobauer wie Daimler oder Toyota ihre Gewinnziele zuletzt reihenweise kassieren mussten, kommt Opel bei der Verbesserung der Marge sogar schneller voran als ursprünglich geplant. Der Beitrag zum operativen Gewinn der PSA-Gruppe wuchs im ersten Halbjahr um 40 % auf 700 Mill. Euro vor Restrukturierungskosten. In einer Zeit, in der die Branche in eine Krise zu schlittern droht, surft Opel auf einer Erfolgswelle. Doch die Freude über die geglückte Wende sollte nicht die nach wie vor bestehenden Probleme überdecken. Von Lohschellers Aussage “Wir wachsen profitabel und nachhaltig” muss er zumindest Letzteres noch nachweisen.——Von Sebastian SchmidIn einer Zeit, in der zahlreiche Autobauer ihre Prognosen kappen und Margenziele senken, ist ausgerechnet Dauerpatient Opel den eigenen Zielen voraus.——