LeitartikelAmazon

FTC verliert Vernunft und Autorität

Die US-Wettbewerbsaufsicht FTC hat sich dem Kampf gegen die Marktmacht von Big Tech verschrieben. Doch durch ihr ungezieltes Vorgehen verschwendet sie Ressourcen und büßt Autorität ein.

FTC verliert Vernunft und Autorität

Amazon-Klage

Ohne Vernunft und Autorität

Von Alex Wehnert

Die US-Wettbewerbsaufsicht FTC unterminiert durch ihr ungezieltes Vorgehen im Kampf gegen Big Tech die eigenen Ziele.

Die US-Wettbewerbsbehörde FTC lässt im Kampf gegen die Marktmacht großer Technologiekonzerne Vernunft vermissen. Wieder und wieder prescht die Behörde unter ihrer seit 2021 amtierenden Vorsitzenden Lina Khan mit Kartell- und Monopolklagen gegen Big Tech vor – und muss Mal um Mal Niederlagen einstecken. Mit diesem ungezielten Vorgehen verschwendet sie nicht nur gewaltige Ressourcen, sondern untergräbt auch ihre eigene Autorität. Jüngstes Beispiel ist die Klage gegen Amazon wegen angeblich illegaler Geschäftspraktiken auf dem Marktplatz des Konzerns. Diese haben Analysten zum entscheidenden Prüfstein für die Big-Tech-Regulierung in den USA auserkoren. Für die FTC droht sie, so viel deutet sich jetzt schon an, zum nächsten negativen Eintrag in ihrer schwachen Erfolgsbilanz zu werden.

Gerade im laufenden Jahr haben sich die juristischen Rückschläge gehäuft. Im Februar wies ein Gericht eine Klage der FTC gegen die Übernahme des Virtual-Reality-Start-ups Within durch Meta Platforms ab. Im Juli zog die Behörde vor einem Bundesgericht mit einem Antrag, die Akquisition des Spieleentwicklers Activision Blizzard durch Microsoft zu blockieren, den Kürzeren. Anschließend zog die FTC eine Klage, mit der sie den 69 Mrd. Dollar schweren Deal verhindern wollte, zurück. Damit gestand sie eine schwere Niederlage mit Signalwirkung für weitere Übernahmepläne im Tech-Sektor ein.

Im Fall Amazon sind nun aber nicht Zukäufe der Stein des Anstoßes. Vielmehr dreht sich die FTC-Klage um den Vorwurf, der E-Commerce-Riese schließe Konkurrenten unlauter von seinem Marktplatz aus. Laut Aufsicht zwingt Amazon Händler zudem dazu, die Logistikdienstleistungen sowie Werbeangebote des Plattformbetreibers zu nutzen. Auch strafe der Konzern Verkäufer ab, die ihre Waren auf konkurrierenden Internetseiten günstiger anböten. Die FTC fordert nun eine gerichtliche Anordnung, der gemäß Amazon die Praktiken unterlassen müsste. In der Klageschrift heißt es zudem, die Behörde könne "strukturelle Erleichterungen" verfolgen – diese Formulierung deutet häufig auf eine angestrebte Zerschlagung von Konzernen hin.

Der Erfolg eines solchen Vorhabens wäre aber äußerst zweifelhaft. Denn die grundsätzliche Annahme, dass Amazon in den Vereinigten Staaten Monopolmacht besitzt, wird schon durch das starke Wachstum der Konkurrenz im Onlinehandel untergraben. Über die vergangenen vier Quartale machte der Anteil des Konzerns am E-Commerce-Absatz in den USA weniger als ein Drittel aus. Derweil steigern Konkurrenten wie Walmart ihre Erlöse aus Online-Verkäufen kräftig. Dies soll nicht bedeuten, dass Amazon grundsätzlich von dem Verdacht freizusprechen wäre, Händler zu übervorteilen. Doch das Argument, die Teilnehmer am Marktplatz besäßen keine Ausweichmöglichkeit und seien deshalb gezwungen, die Geschäftspraktiken von Amazon über sich ergehen zu lassen, dürfte sich damit vor Gericht nur schwer aufrechterhalten lassen.

Dem Konzern dürfte in seiner Argumentation gegen die FTC zudem zupass kommen, dass die aktuellen Vorwürfe der Aufsicht im Widerspruch zu früheren Aussagen Khans stehen. Die Behördenchefin erlangte bereits während ihres Studiums mit einem Aufsatz zu kartellrechtlichen Problemen um Amazon Bekanntheit, in dem sie dem Online-Riesen unterstellte, Konkurrenten durch niedrigere Preise aus dem Markt zu drängen. Nun wirft die FTC dem Konzern vor, die Preise im Onlinehandel künstlich hoch zu halten. Sicher ließe sich argumentieren, dass seit Khans Aufsatz aus dem Jahr 2017 viel Zeit vergangen ist. Allerdings hat die Marktmacht von Amazon durch das erwähnte Erstarken der Konkurrenz seither doch eher nachgelassen.

Die FTC verheddert sich also in einem weiteren äußerst schwierigen Fall. Der Aufsicht gewogene Beobachter mögen argumentieren, dass die Bereitschaft zu harten Konflikten im Kampf gegen die Marktmacht von Big Tech sinnvoll ist, weil die Aussicht auf langgezogene Rechtsstreitigkeiten abschreckende Wirkung auf die Vertreter des Segments entfaltet. Doch diese Wirkung verpufft durch die gehäuften Niederlagen und den Autoritätsverlust der Aufsicht zunehmend. Khan sollte sich nun auf Konflikte konzentrieren, die sie realistischerweise auch gewinnen kann.

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