Für eine politisch unabhängige Fed könnten die Tage gezählt sein
Für unabhängige Fed könnten die Tage gezählt sein
Von Truman über Kennedy bis Nixon versuchten auch andere US-Präsidenten, die Zinspolitik zu beeinflussen - Republikaner unterstützen Trumps Manipulationsversuche - Politisches Drehbuch des Weißen Hauses stellt sogar Abschaffung der Fed in Aussicht
Von Peter De Thier
Seit seinem zweiten Amtsantritt kann US-Präsident Donald Trump praktisch durchregieren. Er hat die Unterstützung eines Republikanisch beherrschten Kongresses. Auch hat der mehrheitlich konservative oberste Gerichtshof Trump Immunität zuerkannt. Politisch kann er also nach Belieben schalten und walten. Nun nehmen aber die autokratischen Anwandlungen des Präsidenten eine neue Dimension an. Er will sogar die Zuständigkeit für die Geldpolitik an sich reißen, die von Gesetzes wegen unabhängig zu sein hat. Das hat zu einem Zerwürfnis mit Notenbankchef Jerome Powell geführt. Ein Ende des verbissenen Machtkampfes und der Debatte um die Unabhängigkeit der Fed ist nicht in Sicht.
Trumps Zielsetzung ist klar: Er will, dass die in Washington ansässige Zentralbank die Zinsen senkt. Der Präsident meint, dass niedrigere Finanzierungskosten die Wirtschaft ankurbeln und den Arbeitsmarkt beleben würden. Folglich drängt er Powell und seine Kollegen bei der Fed seit Monaten, den Geldhahn aufzudrehen. Dagegen stemmt sich aber der oberste Währungshüter. Sein Gegenargument: Bei einer Teuerungsrate von 2,5 Prozent ist der Preisdruck noch zu groß, um die Wirtschaft mit zusätzlicher Liquidität zu versorgen.
Inflationäre Folgen der Zölle
Gerade in einem wirtschaflichen Umfeld, in dem unklar bleibt, wie sich Trumps Zölle auf die Teuerung auswirken werden, könnte eine weiter Lockerung der geldpolitischen Zügel die Inflation befeuern. Auf Powells Weigerung, seinem Wunsch nachzukommen, hat der Präsident in gewohnter Manier reagiert. Er beschimpft den Notenbankchef, den er vor acht Jahren selbst ernannt hatte, als „Dummkopf“ und „Idiot“.
In der Vergangenheit ist es Trump zwar gelungen, mit Beleidigungen und Drohgebärden Kritiker sowie politische Gegner in die Knie zu zwingen. Bei dem Disput mit der Zentralbank handelt es sich aber um einen Sonderfall. Der vom Kongress verabschiedete „Federal Reserve Act“ aus dem Jahr 1913 - dieser führte zur Gründung der amerikanischen Notenbank - schreibt nämlich vor, dass die Bestimmung der Leitzinsen frei von politischem Einfluss sein muss. Vor 112 Jahren wollten die Parlamentarier genau das verhindern, was Trump jetzt versucht, nämlich uneingeschränkte Macht über sämtliche Facetten des politischen Geschäfts zu haben.
Unterdessen übersehen Kritiker des Präsidenten, dass ungeachtet der gesetzlich verankerten Unabhängigkeit der Fed politische Einflussnahme in den USA Tradition hat. So kam es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem Zerwürfnis zwischen Präsident Harry Truman und Notenbankchef Thomas McCabe. Nach dem Krieg war nämlich die Rendite von US-Staatsanleihen gesetzlich gekappt.
Viele Präsidenten manipulierten
McCabe hatte die Sorge, dass die Kombination aus niedrigen Zinsen und den ausufernden Militärausgaben im Zusammenhang mit dem Korea-Krieg die Inflation befeuern würde. Truman bestand hingegen darauf, dass die Fed den Geldhahn aufdreht, um die Kriegsfinanzierung zu erleichtern. Der Präsident konnte sich zwar nicht gegen die Mehrheit der Fed-Gouverneure durchsetzen. Doch aber übte er so viel Druck auf McCabe aus, dass dieser den Hut nehmen musste.
Zum neuen Zentralbankvorsitzendenden berief er William McChesney Martin, von dem sich Truman weniger Widerstand erwartete. Martin, der von 1951 bis 1970 bei der Fed die Geschäfte führte, lag aber während dieser zwei Dekaden mit insgesamt drei Präsidenten im Clinch. So trotzte er Trumans Forderung nach Zinssenkungen. Mit John F. Kennedy kam es auch zu Reibereien, als dieser während regelmäßiger Vieraugengespräche im Weißen Haus Martin sagte, in welche Richtung die Zinsen gehen sollten.
Politischen Schaden verhindern
Zu guter letzt stemmte sich Martin gegen Lyndon B. Johnsons Forderungen, den Geldhahn aufzudrehen, um die Finanzierung des Vietnam-Kriegs zu verbilligen. Wenig Respekt für die Unabhängigkeit zeigte auch Richard Nixon. Während des Wahlkamps im Jahr 1972 sagte er dem Fed-Boss Arthur Burns ausdrücklich, er dürfe „nichts tun, was uns politisch schaden wird“.
Auch wenn andere Präsidenten versucht haben, ein Mitspracherecht bei der Bestimmung der Zinspolitik durchzusetzen, sind sie weniger rabiat vorgegangen als Trump. Zwar trat McCabe als Folge des Disputs mit Truman zurück. Kein anderer Präsident drohte einem Notenbankchef wiederholt mit der vorzeitigen Entlassung. In Jerome Powell hat Trump nun aber einen mehr als ebenbürtigen Kontrahenten. Einen Rücktritt, bevor seine zweite Amtsperiode im Mai 2026 abläuft, schließt er nämlich kategorisch aus. Und der Fed-Chef weiß sehr wohl, dass er rechtlich am längeren Hebel sitzt.
Kein Entlassungsgrund
Eben wegen der Unabhängigkeit der Notenbank kann der Präsident den obersten Währungshüter nicht einfach vor die Tür setzen, wie er dies in der Vergangenheit mit zahlreichen Kabinettsmitgliedern gemacht hat. Den Mann mit dem Top-Job bei der Zentralbank könnte Trump nur dann auswechseln, wenn dieser grobe Amtsverletzung begeht. Seine Versuche, die Kostenüberschreitungen bei laufenden Renovierungsarbeiten in der Notenbank deren Boss zur Last zu legen, wären Juristen zufolge aber vor Gericht zum Scheitern verurteilt.
Trump wird folglich noch ein Dreivierteljahr mit Powell leben müssen. Dann wird der Präsident einen politischen Loyalisten an die Spitze der Fed hieven, beispielsweise seinen Wirtschaftsberater Kevin Hassett, der immer offen für die zinspolitischen Wünsche des Weißen Hauses sein wird. Damit ist das Ende der völlig „unpolitischen“ US-Geldpolitik vorgezeichnet, selbst wenn keineswegs sicher ist, dass die übrigen Notenbanker sich Trumps Handlanger anschließen werden.
Project 2025 stellt Zukunft der Fed in Frage
Unterdessen ist der Präsident nicht der einzige, der die politische Unabhängigkeit der Fed in Frage stellt. Autoren des rechtsgerichteten „Project 2025“, de facto ein Spielplan für Trumps zweite Amtszeit, wollen das duale Mandat der Notenbank beenden. Sie fordern eine Rückkehr zum Goldstandard und, dass sich die Notenbank ausschließlich auf Preisstabilität konzentriert.
Auch denken die erzkonservativen Republikaner laut über Alternativen zur Fed nach. Für möglich halten sie ein „free banking“ System, in dem private Geldhäuser minimaler Regulierung unterliegen und ihr eigenes Geld drucken können. Insbesondere stört die republikanischen Kritiker, dass die Fed als Geldgeber in Krisen bei den Privatbanken einen „moral hazard“ heraufbeschwört.
Demokratische Kritiker der Fed
Dass so radikale Ansätze wie die unter Project 2025 skizzierten Chancen haben, die notwendigen Kongressmehrheiten zu finden, ist unwahrscheinlich. Zwar hat die Notenbank auch Kritiker in den Reihen der Demokraten. Die linksliberale Senatorin Elizabeth Warren hat Powell mündlich und in mehreren Briefen aufgefordert, die Zinsen zu senken. Gleichwohl würden Warren und andere Demokraten niemals die institutionelle Intergrität der Fed in Frage stellen. Insbesondere erkennen Demokraten die Gefahren einer kompletten Dezentralisierung und Deregulierung der Geldpolitik. So oder so werden die Bemühungen, die Notenbank politisch zu kompromittieren oder sie ganz abzuschaffen, zumindest solange andauern, wie Trump noch im Amt ist.