Für Shareholder-Aktivisten ziehen härtere Zeiten herauf
Harte Zeiten für Shareholder-Aktivisten
Der Sprung der Marktvolatilität infolge von Washingtons Handels- und Fiskalpolitik macht aktivistischen Investoren das Leben schwer. Das wirkt sich auch auf M&A-Vorhaben aus.
Von Alex Wehnert, New York
Das unsichere Wirtschaftsumfeld stellt auch einige der lautesten und für Unternehmen unangenehmsten Investoren vor Probleme. Shareholder-Aktivisten waren zu Jahresbeginn noch auf Krawall gebürstet: Unternehmen aus unterschiedlichen Sektoren, vom Ölriesen BP über den IT-Konzern Hewlett Packard Enterprise bis hin zum Software-Anbieter Autodesk, mussten sich im Vorlauf zur Hauptversammlungssaison mit Attacken aggressiver Aktionäre auseinandersetzen. Doch dann folgte das von US-Präsident Donald Trump losgetretene Zollchaos – und mit ihm heftige Marktschwankungen.
Die Folgen für Shareholder-Aktivisten lassen sich aus von der britischen Großbank Barclays gesammelten Daten ablesen: Im ersten Quartal stießen die Investoren noch 70 neue Kampagnen an. Gegenüber dem Vorjahr bedeutete dies einen Anstieg um 17% – doch im zweiten Viertel kamen lediglich 59 weitere hinzu. Im ersten Halbjahr fiel die Aktivität damit zwar noch stärker aus als im Durchschnitt der vergangenen neun Jahre. Gegenüber dem Vergleichszeitraum 2024 steht aber ein Rückgang um 12%.
Schwierigere Kommunikation
„Viele Aktivisten haben US-Präsident Donald Trump in der Hoffnung auf gelockerte Regulierungen unterstützt und bereuen es inzwischen“, sagt Kai Liekefett, Partner und Co-Leiter der „Shareholder Activism and Corporate Defense“-Praxis bei der Großkanzlei Sidley Austin in New York. Denn die Handels- und Fiskalpolitik des Republikaners sowie der von ihm ausgeübte Druck auf unabhängige Institutionen wie die Fed habe für Volatilitätssprünge an den Märkten gesorgt und damit die Bedingungen für den Aufbau langfristiger Unternehmensbeteiligungen sowie die Kommunikation mit Verwaltungsräten und Aktionärsbasis erschwert.

Dabei leisteten Shareholder-Aktivisten durchaus einen wertvollen Beitrag zur Funktionsfähigkeit des Finanzmarkts, indem sie bei Missständen in Unternehmen auf Änderungen drängten. Neben einer Neubesetzung von Verwaltungsratsposten sei die Hauptintention von Aktivisten üblicherweise der Verkauf des Zielunternehmens – oder bei größeren Konzernen die Zerschlagung bzw. der Verkauf wenig profitabler Assets. Laut Barclays tauchten M&A-Ziele im ersten Halbjahr in 33% der Kampagnen auf.
Langsamere Deregulierung als erhofft
Doch wenngleich der M&A-Markt sich im laufenden Jahr von der – auch durch ein schwieriges Zinsumfeld bedingten – Schwäche der Vorjahre erholt hat, besteht durch die geopolitische Unsicherheit laut Analysten noch immer erheblicher Gegenwind. Die Beratungsgesellschaft PwC spricht von deutlich „wilderen“ Entwicklungen als erwartet: Neben der aggressiveren Zollpolitik und aufgeheizten regionalen Konflikten bremse die Aktivität bei Fusionen und Übernahmen auch, dass die Deregulierung in Washington langsamer vorangeschritten sei als erhofft.
Tatsächlich mischt sich die Trump-Administration bei großen Transaktionen wie der Übernahme von US Steel durch Nippon Steel verstärkt ein. Folglich ließ Ancora Holdings ihre Kampagne bei dem US-Stahlkonzern fallen. Der Aktivist trat im Januar auf den Plan, nachdem US-Präsident Joe Biden eine Übernahme der Industrieikone durch die Japaner unter Verweis auf nationale Sicherheitsbedenken blockiert hatte. Doch nachdem Trump eine neue Prüfung des Nippon-Deals anordnete, zog der Aktivist seine neun Nominierungen für den Verwaltungsrat zurück. Die Übernahme ging schließlich unter Auflagen über die Bühne: So hält die US-Regierung eine goldene Aktie, die ihr ein Veto-Recht bei strategischen Entscheidungen für US Steel einräumt.
Gegenwind für Fusionen und Übernahmen
Der Gegenwert der globalen Deals ist laut PwC im ersten Halbjahr gegenüber 2024 zwar um 15% gestiegen, die Zahl aber um 9% gefallen. John Waldron, Präsident und Chief Operating Officer von Goldman Sachs, rechnet damit, dass das Streben von Unternehmen nach Skaleneffekten auch weiterhin dazu führt, dass sich der Markt stark auf große Merger konzentriert. Für Aktivisten, die auf die Abspaltung bestimmter Assets eines Zielunternehmens und damit eher kleinere Transaktionen drängen, wird das Umfeld damit nicht einfacher.
„Die mangelnde Planbarkeit bleibt bei der Interaktion zwischen Unternehmen und Aktivisten mittelfristig für beide Seiten das größte Problem”, sagt auch Sidley-Partner Liekefett. Noch sind Aktivisten im Vergleich zu den Vorjahren recht erfolgreich dabei, sich Sitze in den Verwaltungsräten zu sichern. Dabei stellen sie sich aber seltener Abstimmungen auf Hauptversammlungen, sondern einigen sich in einem unsicheren Umfeld mit den angegriffenen Unternehmen auf Deals. Wie Barclays berechnet, waren lediglich 14% der 86 durch Aktivisten gewonnenen Board-Sitze im ersten Halbjahr Resultat eines Stimmrechtskampfs. Die Einigungen bedeuteten aber auch, dass Aktivisten häufig weniger großes Mitspracherecht erhielten als ursprünglich angepeilt.
Aktivisten suchen nun wiederholt neue Ansatzpunkte bei Unternehmen. Zuletzt hat die „Withhold the Vote”-Kampagne der Investmentgesellschaft H Partners bei Harley Davidson für Aufsehen gesorgt. Das New Yorker Haus hatte Anteilseigner der Motorrad-Ikone dazu aufgerufen, CEO Jochen Zeitz die Bestätigung seines seit 18 Jahren besetzten Verwaltungsratsmandats zu verweigern. Nach einem Absatzschwund hatte der Deutsche im Frühjahr bereits seinen Rückzug von der Vorstandsspitze angekündigt. Neben Zeitz wollte der Aktivist auch die seit 29 Jahren im Verwaltungsrat präsenten Sara Levinson und den seit 17 Jahren amtierenden Direktor Tom Linebarger vor die Tür setzen.
Destruktive Strategien
Hätten die drei Verwaltungsratsmitglieder jeweils weniger als 50% der Stimmen erhalten, hätten sie zurücktreten müssen. Dieses Ziel verfehlte H Partners zwar knapp – doch war die Abstimmung knapp genug, um die Direktoren zum Nachgeben zu bewegen: Zeitz, Levinson und Linebarger wollen angeblich bis zur Hauptversammlung im kommenden Jahr aus dem Verwaltungsrat zurücktreten. „In der Regel sind ´Withhold the Vote`-Kampagnen für Aktivisten weniger erfolgversprechend, weil andere Aktionäre gerne konstruktive Pläne für das Unternehmen hören wollen“, sagt Liekefett. Keine Gegenkandidaten für den Verwaltungsrat zu nominieren und nur auf die Ablösung aktueller Direktoren zu drängen, wirke hingegen destruktiv. Doch das schwierigere Marktumfeld zwingt Aktivisten mitunter zu verzweifelten Maßnahmen.