Gegen eine Rezession ist kein Kraut gewachsen
Logistikkonzerne
Ein Abschwung ist unvermeidlich
Von Martin Dunzendorfer
Der von den USA entfachte Zollstreit, der Handelskriege entstehen lässt oder verschärft und zu großer Unsicherheit in Unternehmen sowie bei Verbrauchern führt, belastet die Konjunkturentwicklung weltweit. Neben der verarbeitenden Industrie, etwa Auto- und Maschinenbau, sind auch Logistikkonzerne vom wachsenden Protektionismus stark betroffen, denn diese Branche ist es, die Güter von A nach B bringt – oder eben nicht, wenn der Warenaustausch aufgrund einer Wirtschaftsflaute zurückgeht oder den Güterproduzenten die Verschiffung bzw. der Transport per Flugzeug, Lkw oder Bahn aus Rentabilitätsgründen zu riskant wird, weil die Zollfrage ungeklärt ist. Dann bleiben Aufträge für DHL, die schweizerische Kühne+Nagel oder die dänische DSV – die gerade Schenker von der Deutschen Bahn übernommen hat – aus. Auch die US-Branchenriesen UPS und Fedex werden unter einem Konjunkturabschwung und sinkenden Handelsvolumina leiden, ebenso Reedereien wie die dänische Maersk und die französische CMA CGM sowie Bahnbetreiber.
Operative Planbarkeit nimmt ab
Da zu befürchten ist, dass sich politische Vorgaben weiterhin kurzfristig ändern können, nimmt die operative Planbarkeit von Logistikunternehmen ab. Dies führt zu neuen Herausforderungen, etwa wenn Lieferungen per Schiff bereits unterwegs sind und sich Einfuhrbedingungen während des Transports ändern. In der Branche spricht man in solchen Fällen von „schwimmender Ware“ – also Containern, deren logistischer Status unklar ist. Schon kleine Verzögerungen in der Lieferkette, sei es durch fehlende Dokumente oder technische Pannen, können zu Zollnachzahlungen in beträchtlicher Höhe führen. Logistikkonzerne, die über entsprechendes Know-how verfügen, wie DHL und Kühne+Nagel, profitieren in diesem Umfeld vom Beratungs- und Planungsbedarf der Industrieunternehmen.
Der DHL-Vorstand erinnerte in diesem Zusammenhang vor kurzem an den Brexit. Zwar sei das Handelsvolumen zwischen Großbritannien und der EU nachhaltig gesunken, doch habe es durch Beratungs- und Planungsleistungen auch positive Effekte für den Bonner Konzern durch den Austritt des Inselstaates aus der Union gegeben.
Kühne+Nagel hat mit der Übernahme des kanadischen Zolldienstleisters Farrow Ende 2023 bereits ein Jahr vor der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten die Kompetenzen im Bereich der Zollberatung an den US-Grenzen zu Kanada und Mexiko ausgebaut. Das kommt den Schweizern nun zugute, denn die Nachfrage nach Zollberatung steigt seit Monaten stark an.
Zwei DHL-Divisionen besonders betroffen
In der DHL-Gruppe (ehemals Deutsche Post) würde sich ein globaler Konjunkturabschwung in den beiden Divisionen Express (zeitgenaue internationale Sendungen) und Global Forwarding, Freight (Warentransport über Schiene, Straße, den Luft- und Seeweg) am deutlichsten auswirken; so würden nicht genutzte Kapazitäten im Express-Netzwerk – etwa Frachtflugzeuge – die Marge belasten. Aus heutiger Sicht erscheint ein Teil der ins Auge gefassten Wachstumsmaßnahmen, die der Konzern im September vorigen Jahres im Rahmen der „Strategie 2030“ vorgestellt hatte, wie eine vorweggenommene Antwort auf die jüngst durch die Zollankündigungen in Washington ausgelösten Irritationen auf den Märkten und den befürchteten Abschwung im Welthandel.

Um Potenziale zu entfalten, setzt DHL auf fünf Initiativen. So werden im Bereich Life Sciences & Healthcare vermehrt Logistiklösungen wie temperaturgeführte Tiefkühl- oder Kryolagerung gebraucht. Da es schwierig und langwierig ist, auf diesem Weg organisch das notwendige Know-how zu erlangen, waren für den Konzern Akquisitionen – wie jüngst des US-Logistikers Cryopdp – von Anfang an eine Option. Auch die Umstellung der Energieversorgung von fossilen Trägern (Kohle, Öl, Gas) auf erneuerbare Energien und die Transformation des Automobilsektors erfordern spezielle Logistiklösungen – das Ziel der zweiten Initiative. So sind für den Umgang mit Windradflügeln oder Batteriespeichersystemen enorme Spezialkenntnisse notwendig. Die jüngst vorgestellte neue Strategie von Kühne+Nagel ähnelt in Teilen der von DHL: Statt Profitabilität stehen nun Marktanteilsgewinne im Fokus, besonders in margenstarken Bereichen wie Pharma und Halbleiter. Das Wachstum soll vorwiegend organisch erfolgen, aber durch kleinere Akquisitionen ergänzt werden.
Zollstreit stellt Wachstumsregionen infrage
Neben den zwei auf Branchensegmente zugeschnittenen Initiativen von DHL wird sich die Gruppe den Planungen zufolge auf schnell wachsende Regionen konzentrieren, u.a. Indien, Mexiko und Südostasien. Damit will der Konzern Chancen nutzen, die sich durch die dort stark wachsenden Handelsströme und diversifizierten globalen Lieferketten ergeben. Hier hat sich die Situation durch die Entwicklungen im laufenden Monat erheblich kompliziert. US-Importzölle haben auf den Außenhandel vieler Länder, denen noch vor kurzem großes Potenzial zugebilligt wurde, starken Einfluss. Es wäre daher nachvollziehbar, wenn DHL in der Umsetzung dieser Wachstumsinitiative auf die Bremse drückt, bis etwas mehr Klarheit herrscht – zumal auch hier Übernahmen nötig wären, um die Abdeckung einer Region zeitnah zu erreichen.
DHL will zudem durch die divisionsübergreifende Initiative E-Commerce – nicht zu verwechseln mit dem Geschäftsbereich E-Commerce – ihre Präsenz im Online-Markt erweitern, indem sie die Stärken der Divisionen für integrierte Angebote bündelt, zum Beispiel kombinierte Fulfillment- und Letzte-Meile-Lieferungen. Schließlich erwartet DHL, dass digitale Vertriebswege zum Standard werden, um Kunden zu gewinnen und zu binden. Daher beabsichtigt der Konzern, sein digitales Vertriebsprogramm auszubauen, um verbesserte Online-Transaktionen für die Kunden zu schaffen. Beide Initiativen könnten helfen, den Umsatzrückgang infolge einer weltweiten Rezession abzufedern.
Kostenentlastung bei Benzin und Kerosin
Letztlich sind die Handlungsoptionen der Logistikkonzerne im Fall einer globalen Rezession überschaubar. Gewiss können hier und da Personal- und Transportkapazitäten abgebaut werden. Entlastung wird von sinkenden Treibstoffkosten kommen, da bei einem Nachfrageschwund die Benzin- und Kerosinpreise fallen werden. Doch jede Kostenentlastung und Wachstumsinitiative – selbst wenn sie konjunkturunabhängig Erfolg verspricht – wird verblassen angesichts des negativen Einflusses eines Abschwungs auf das Konzerngeschäft.
Ein globaler Abschwung mit sinkendem Handelsvolumen würde die Logistikkonzerne schwer belasten. Mehr Beratungs- leistungen und Wachstumsinitiativen könnten den Erlösrückgang nur abfedern.