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Genehmigungen sind für Data-Center-Betreiber eine „riesige Herausforderung“

Die Betreiber deutscher Rechenzentren sind – ebenso wie die Cloud-Dienstleister – vielfach große Player aus den USA. Die Aufholjagd heimischer Firmen wird jedoch durch langwierige Genehmigungen und vor allem teuren Strom gebremst.

Genehmigungen sind für Data-Center-Betreiber eine „riesige Herausforderung“

Bau von Data Centern ist ein Hürdenlauf

Die Betreiber deutscher Rechenzentren sind – ebenso wie die Cloud-Dienstleister – vielfach große Player aus den USA. Die Aufholjagd heimischer Firmen wird durch langwierige Genehmigungen und vor allem teuren Strom gebremst. Das belastet auch die Investorenstimmung.

Von Heidi Rohde, Frankfurt

Der deutsche Markt für Rechenzentren wächst rasant. 2.000 Data Center im Kapazitätsbereich von 100 MW (Megawatt) oder mehr sind Daten des IT-Verbands Bitcom zufolge hierzulande in Betrieb, der Bau von mehr als 3000 ist noch angekündigt. Wie viele tatsächlich kommen, ist derweil offen. Das größte Aufsehen erregt – pünktlich zum Gipfel in Berlin, wo Europas Anspruch auf digitale Souveränität untermauert werden soll – die Ankündigung der Schwarz Gruppe: Schwarz Digits nimmt 11 Mrd. Euro in die Hand, um im Spreewald, also nahe bei Berlin, ein Rechenzentrum hinzustellen, das fünfte der Cloud-Tochter Stackit. Es soll über eine Anschlusskapazität von zunächst 200 Megawatt verfügen und auf 100.000 sogenannte GPU (Hochleistungsprozessoren) aufgerüstet werden können.

Allerdings zeigt sich bei dieser Zahl die Langfristperspektive. In Lübbenau wurde just die Grasnarbe angehoben. Das kürzlich von Telekom und Nvidia angekündigte Rechenzentrum in München, das über eine Kapazität von 10.000 GPU verfügt, soll im ersten Quartal kommenden Jahres derweil schon bezugsfertig sein.

Hohe Abhängigkeit

Beide Projekte verfolgen im Prinzip dieselbe Ambition: Data Center zu bauen, die nicht nur im europäischen Rechtsrahmen, sondern auch in heimischer Regie laufen. Denn Deutschland ist als größter Rechenzentrumsmarkt Europas bisher von internationalen Anbietern dominiert. Und ebenso wie die weltgrößten Cloud-Dienstleister, Amazon Web Services, Microsoft Azure und Google Cloud, von denen Behörden und Unternehmen hierzulande hochgradig abhängig sind, kommen auch die Betreiber der Rechenzentren vielfach aus den USA.

Im mittleren Leistungsbereich von bis zu 50 Megawatt, wo das Gros der Anbieter sich tummelt, sind einer Analyse von EY Parthenon zufolge die US-Firmen CyrusOne, Cyxtera und Iron Mountain die größten Player. Sie haben allesamt den Hauptsitz in Texas. Auch im „Scale-Bereich“ von bis zu 100 Megawatt dominieren US-Anbieter (Digital Reality, Equinix) oder asiatische Gesellschaften wie NTT oder Keppel Data Centres. In diesem Leistungsspektrum sind heimische Firmen bisher komplett Fehlanzeige. Telekom-Systemhäuser wie T-Systems, Orange Business Services oder auch 1&1 konzentrieren sich auf den mittleren Leistungsbereich.

Geringe Leerstände

Unterdessen ist die Nachfrage nach Rechenleistungen aus Sicht von EY-Parthenon-Partner Sören Grabowski mittelfristig noch so hoch, dass für heimische Unternehmen, die relativ neu in den Markt vorstoßen – wie etwa Schwarz Digits – genug Platz ist. „Die Leerstandsquoten in den wichtigsten Mikromärkten sind im niedrigen einstelligen Bereich“, sagte der Experte der Börsen-Zeitung. Da sei viel Luft nach oben. Die German Datacenter Association berechnet für das laufende Jahr am mit Abstand größten Rechenzentrums-Standort Frankfurt eine Leerstandsquote von 4,8%. Für Berlin werden 7,3% angegeben. Die prognostizierte Wachstumsrate für diese beiden Top-Lagen wird auf 19% beziehungsweise gut 25% geschätzt.

Hier offenbart sich für die Betreiber dann allerdings doch eine wachsende Wettbewerbsdynamik. Denn die Kundennachfrage konzentriert sich Deutschland auf Hotspots und da werden die Rahmenbedingungen zunehmend schwieriger. Genehmigungen sind für Rechenzentrumsbetreiber „eine riesige Herausforderung“, erklärt Abhineet Nayak, Senior Manager bei EY Parthenon. „Sie dauern im Durchschnitt 18 bis 24 Monate“, führt er aus. Die Gründe sind vielfältig, aber zwei Probleme dominieren, und sie betreffen besonders Frankfurt: die Ausweisung geeigneter Immobilien beziehungsweise Gewerbeflächen und eine gesicherte Energieversorgung. „Da laufen dann doch heiße Rennen um geeignete Standorte“.

Auch wenn Stromversorgung und vor allem die hohen Strompreise in Deutschland im europäischen Vergleich prinzipiell ein Wettbewerbsnachteil sind, trifft der nicht alle Rechenzentrenbetreiber gleichermaßen. „Grundsätzlich haben Länder wie Spanien aufgrund von günstiger Energie einen Vorteil, aber das tritt in den Hintergrund, wenn andere Kriterien wie zum Beispiel eine geringe Latenz eine große Rolle spielen. Das ist in Frankfurt der Fall“, so Grabowski. Die Experten betonen, dass es Data-Center-Betreibern „im Regelfall gelingt“, steigende Kosten für Strom oder auch steigende Zinsen an die Kunden weiterzugeben. Die langlaufenden Verträge hätten entsprechende Vereinbarungen.

KI nicht eingerechnet

Ungemach droht allerdings von anderer Seite. Auch wenn im längeren globalen Trend das Wachstum des Energiebedarfs von Datenzentren zuletzt deutlich hinter dem Anstieg der Workloads zurückgeblieben ist – in Zukunft dürfte das anders sein. Denn derzeit machen KI-bezogene Aufgaben erst einen geringen Teil der verwendeten Rechnerleistung aus. EY Parthenon rechnet hier zumindest in den unmittelbar kommenden Jahren mit einem deutlichen Schub. Die vom eco Verband der Internetwirtschaft gegründete Allianz zur Stärkung digitaler Infrastrukturen kritisiert daher scharf, dass Rechenzentrenbetreiber in der Vereinbarung der Koalition für einen Industriestrompreis nicht erwähnt werden. Trotz aller Lippenbekenntnisse sei die „die aktuelle Politik der Bundesregierung tatsächlich eher kontraproduktiv“, bemängelt Béla Waldhauser, der Sprecher der Allianz und CEO des Frankfurter Data-Center-Betreibers Telehouse. Den Bundesratsvorschlag zur Vergabe von Netzanschlüssen hatte der Koalitionsausschuss zudem abgelehnt. Betreiber, die neue Rechenzentren bauen wollen, sind aus Waldhausers Sicht indes auf eine frühzeitige verbindliche Zusage von Stromnetzanschlüssen angewiesen. Aktuell dauere die Bearbeitung derweil „bis zu sieben Jahre“, schimpft der Manager.

Derlei Geduldsproben belasten auch die Investorenstimmung. „Die Zahl der Transaktionen ist in jüngster Zeit zurückgegangen. Deshalb ist der Markt auch gewissermaßen illiquider geworden. Das drückt natürlich die Bewertungen“, so Grabowski. Die lagen in den Jahren 2017 bis 2022 je nach Planungs- oder Betriebsstadium bei einem Vielfachen des operativen Ergebnisses von 20 bis 40 im Durchschnitt. Nun hat sich die Spanne verengt. „Im Mittel liegen die Ebitda-Multiples derzeit bei 18 bis 20“, schätzt Nayak.

Eine interessante neue Perspektive ergibt sich allerdings für heimische Rechenzentrumsbetreiber jenseits der umkämpften städtischen Hotspots. „Es gibt Bedarf an Rechenzentrumskapazitäten in der Fläche. Das ist vor allem für Player aus dem Telekommunikationsumfeld interessant“, so Grabowski. Denn die Branche betreibt mehr oder minder dicht verteilt in Deutschland Edge-Data-Center, die das Datenvolumen aus dem Mobilfunknetz verarbeiten. Da sind auch Weiterentwicklungen eine geschäftliche Option.