LeitartikelS-Finanzgruppe

Die Geostrategen von der Sparkasse

Die Folgen der wachsenden globalen Spannungen gehen an keiner Sparkasse vorbei. Der scheidende Sparkassenpräsident Helmut Schleweis hat die Finanzgruppe früh dafür sensibilisiert und aufgezeigt, was zu tun ist.

Die Geostrategen von der Sparkasse

S-Finanzgruppe

Die Geostrategen von der Sparkasse

Die zunehmenden globalen Verwerfungen treffen jede Sparkasse. Schleweis zeigt der Finanzgruppe auf, was zu tun ist.

Von Tobias Fischer

Der Deutsche Sparkassentag folgte dem Motto Weils um mehr als Geld geht“. Tatsächlich ging es ums große Ganze. So standen in dem zweitägigen „Familientreffen“ der S-Finanzgruppe in Hannover existenzielle Themen zur Debatte, die jedes Institut betreffen: Wie Wohlstand und Freiheit im Angesicht von Ukraine-Krieg und zunehmenden geopolitischen Konflikten verteidigt werden können. Was zu tun ist, um soziale Stabilität zu gewährleisten, die Inflation, Populismus und schwindende gesellschaftliche Kohäsion zu untergraben drohen. Wie der Klimakrise zu begegnen und die Energiewende zu bewältigen ist. Mithin stellten sich die Sparkassen auch schwierigen Themen, die bisweilen wenig mit Geld zu tun haben, die Finanzgruppe aber auf Jahre beschäftigen werden.

Wie anlässlich des Großereignisses üblich, wurde das Whos Who aus Politik und Geldpolitik in Hannover vorstellig, um die 2.700 Vertreter der größten Finanzgruppe Europas ihrer Bedeutung zu versichern. Die EZB-Präsidentin, der Kanzler, der Vizekanzler, der Bundesfinanzminister und der Vorsitzende der größten Oppositionspartei teilten ihre Sicht der Dinge und suchten ebenso Antworten auf die drängenden Fragen wie der frühere Bundespräsident Joachim Gauck oder die russische Friedensnobelpreisträgerin und Vorkämpferin für Menschenrechte, Irina Scherbakowa. Handlungsvorschläge zur Bewältigung bundesdeutscher wie globaler Zukunftsfragen präsentierte der Sparkassen-Dachverband DSGV mit der „Hannoverschen Erklärung“ und in einer Grundsatzrede des Präsidenten Helmut Schleweis. Was Wunder, dass er die Sparkassen als Berater und Finanzierer der grünen Transformation, von Energiewende und Wohnungsbau und ihren Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Teilhabe hervorhob.

Schleweis hat die Finanzgruppe schon früh auf die neue Zeit und die geostrategischen Erfordernisse eingeschworen. Gleich nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat er in einer fundamentalen Rede vom Weckruf für Europa gesprochen, dem ohne zu lamentieren unverzüglich Taten folgen müssten. Aus Energie- und Rohstoffabhängigkeit nicht nur von Russland, sondern von China gelte es sich zu befreien, Lieferbeziehungen seien neu zu bewerten und gegebenenfalls umzuleiten, Energieeinsparungen und die Umstellung auf Erneuerbare mit Hochdruck voranzutreiben. Den deutschen Unternehmen, von denen rund drei Viertel Geschäftsbeziehungen zur S-Finanzgruppe unterhalten, riet er, darüber nachzudenken, strategisch wichtige Produktion in die EU bzw. die westliche Welt zu verlagern, mehr selbst zu produzieren statt auszulagern und höhere Lagerbestände aufzubauen.

Die Führungskräfte der mehr als 500 Unternehmen der Gruppe, davon 357 Sparkassen, sind aufgerufen, sich unter anderem zu fragen, wie sie und ihre mittelständischen Kunden mit der zunehmenden Polarisierung zwischen China und den USA, einer drohenden Blockbildung, mit protektionistischen Tendenzen und der Frage der Rohstoffsicherheit umzugehen gedenken. Mit möglichen Kreditrisiken, die das mit sich bringt. Mit regulatorischer Zersplitterung, falls sich die Staaten der Weltgemeinschaft nicht mehr auf gemeinsame Standards zu verständigen wissen. Mit Reputationsschäden, die mit Engagements in autoritären, diktatorischen und gegen jede zivilisatorische Normen verstoßenden Staaten einhergehen – die österreichische RBI mit ihrem fetten Russland-Geschäft, wenn auch ein Extrembeispiel, lässt grüßen.

Weisungsbefugnis hat der oberste Sparkässler keine, er ist ein König ohne Land. Es geht ihm wie dem Bundespräsidenten: Autorität verleiht ihm die Macht des Wortes, der Überzeugungskraft und Integrität. Die Verwirklichung seines Herzensanliegens, die Schaffung eines Sparkassen-Zentralinstituts, war Schleweis angesichts widerstreitender Interessen in der Gruppe nicht vergönnt. Führungsstärke hat er umso mehr nach dem Angriff auf die Ukraine und die europäische Friedensordnung gezeigt und daraus die richtigen Schlüsse gezogen. Dass seine Botschaften verfangen, darf unterstellt werden: Zweimal wurden dem zum Jahresende scheidenden Präsidenten in Hannover ellenlange Standing Ovations zuteil.

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