BlickfeldRechtsstreit um Insolvenzmasse

Geschädigte Wirecard-Aktionäre gehen leer aus

Eine schlechte Nachricht für Zehntausende geschädigte Wirecard-Aktionäre: Der Bundesgerichtshof wies eine Klage von Union Investment auf Entschädigungen aus der Insolvenzmasse zurück. Wie üblich haben Gläubiger weiterhin Vorrang.

Geschädigte Wirecard-Aktionäre gehen leer aus

Geschädigte Wirecard-Aktionäre gehen leer aus

In einem Grundsatzurteil des Bundesgerichtshofs zur Insolvenzmasse unterliegt die Klägerin Union Investment.

Von Stefan Kroneck, München

Die vielfältige juristische Aufarbeitung des Bilanzbetrugs bei Wirecard hat fünfeinhalb Jahre nach der Pleite des einstigen Dax-Mitglieds ein erstes handfestes Ergebnis erbracht. In einem Grundsatzurteil um die Rangfolge der Gläubiger stellte der Bundesgerichtshof (BGH) klar, dass Aktionäre keinen Anspruch haben, aus der Insolvenzmasse einen Teil ihres erlittenen Schadens auszugleichen (Az IX ZR 127/24). Das oberste bundesdeutsche Zivilgericht bekräftige die bestehende Rechtslage bei Insolvenzverfahren, auch wenn der Schaden für Anteilseigner infolge krimineller Handlungen des Managements entstanden ist. Insbesondere der letztere Punkt war strittig, wie das in der Rechtspraxis zu bewerten ist.

Aktionäre besitzen keinen Gläubigerstatus, sondern tragen als Eigentümer auch das volle Risiko ihrer anteiligen Beteiligung an einem Unternehmen, stellte der zuständige 9. Zivilsenat des BGH fest. Daher seien „Aktionäre einer insolventen AG mit ihren kapitalmarktrechtlichen Schadenersatzansprüchen nicht als einfache Insolvenzgläubiger an der Verteilung der Insolvenzmasse zu beteiligen“, hieß es zur Begründung.

Forderungen unbegründet

Das bedeutet, dass Schadenersatzforderungen von Aktionären nicht in der Rangfolgetabelle nach § 38 der Insolvenzordnung aufzuführen sind. Sie besitzen stattdessen einen nachrangigen Status. Vorrangig bedient werden Geldgeber wie Banken, Versicherungen und Bondinhaber. Aktionäre werden erst dann entschädigt, wenn sich aus der Insolvenzmasse ein „Überschuss“ ergibt. Das ist in der Regel, wie auch im Fall Wirecard, nicht der Fall.

Dadurch gehen die geschädigten Aktionäre des einstigen Zahlungsabwicklers leer aus. Denn der bisherigen Insolvenzmasse von 650 Mill. Euro steht ein Gesamtschaden der Finanzgläubiger von 3,3 Mrd. Euro gegenüber. Diese Summe ermittelte die Staatsanwaltschaft München im noch laufenden Strafverfahren gegen Ex-Vorstandschef Markus Braun und zwei weiteren angeklagten früheren Konzernmanagern.

Pilotprozess

Der BGH folgte damit weitgehend der Auffassung des beklagten Wirecard-Insolvenzverwalters Michael Jaffé und von Anleihegläubigern. Das Verfahren brachte die Union Investment mit einer Feststellungsklage ins Rollen. Die Fondsgesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken argumentierte, dass die Wirecard-Führung ein tatsächlich nicht vorhandenes Geschäftsmodell vorgetäuscht und über ihre Finanzlage getäuscht habe. Diese vorsätzliche Insolvenzverschleppung führe zu Schadenersatzansprüchen wegen des Aktienkaufs. Union Investment erhob Ansprüche von 9,8 Mill. Euro als einfache Insolvenzforderung zur Insolvenztabelle.

Damit eröffnete Union Investment ein Pilotverfahren. Nach Beginn des Wirecard-Insolvenzverfahrens im August 2020 meldeten über 50.000 Aktionäre Schadenersatzforderungen von insgesamt 8,5 Mrd. Euro zur Insolvenztabelle an. Mit den Forderungen anderer Gläubiger sind das laut BGH insgesamt 15,4 Mrd. Euro.

In einem Urteil vor drei Jahren wies das Landgericht München die Klage ab (Az. 29 O 7754/21). In der nächsthöheren Instanz gab allerdings das Oberlandesgericht München (OLG) der Klage im September 2024 statt (Az. 5 U 7318/22 e). Das OLG folgte den Argumenten von Union Investment. Das machte Wirecard-Aktionären zunächst Hoffnung, einen Teil ihres Schadens ersetzt zu bekommen. Mit ihrem Urteil hoben die Karlsruher Richter diese Entscheidung nun wieder auf.

Dämpfer im Musterverfahren

Das BGH-Urteil ist ein Teil einer umfangreichen Aufarbeitung der Causa Wirecard. Das Strafverfahren gegen den Hauptangeklagten Markus Braun und den beiden Ex-Managern vor dem Landgericht München läuft seit fast drei Jahren. Die Staatsanwaltschaft wirft den drei Angeklagten gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Braun, dem eine mehrjährige Freiheitsstrafe droht, sitzt seit August 2020 in Untersuchungshaft. Ein Urteil wird 2026 erwartet.

Für die Wirecard-Aktionäre war zuvor das noch laufende Kapitalanleger-Musterverfahren eine der letzten Möglichkeiten, doch noch einen Teil ihres Schadens ersetzt zu bekommen. Das dafür zuständige Bayerische Oberste Landesgericht (BayObLG) verhandelt diese Sache erneut am 14. November. Allerdings dämpfte eine erste Entscheidung des Gerichts vom Februar dieses Jahres die Erwartungen vieler Anleger, den früheren Wirecard-Abschlussprüfer EY zu belangen. So können dem BayObLG zufolge in dem Musterverfahren keine Schadenersatzansprüche gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft vorgebracht werden. Das Gericht begründete dies damit, dass im Musterverfahren nur Klagen wegen falscher Information des Kapitalmarktes gebündelt werden können.

Prüfpflichten verletzt

EY hat aber nach Auffassung der Richter die gefälschten Wirecard-Bilanzen inklusive des Bestätigungsvermerks selbst nicht veröffentlicht, sondern der Vorstand des Unternehmens. Daher seien Ansprüche gegen EY nicht statthaft. In dem Musterverfahren erhoben rund 8.500 Aktionäre Ansprüche. Stellvertretend für diese nahm das Gericht die Klage eines Bankkaufmanns aus Hessen an.

Klagen gegen den Abschlussprüfer seien aber auf Grundlage verletzter Prüfpflichten möglich, so das BayObLG. Erfolgschancen bestehen. Denn die Abschlussprüferaufsicht Apas sah es als erwiesen an, dass EY gegen Berufspflichten verstoßen hatte. Daraufhin verhängte die Apas im April 2023 gegen EY eine Geldstrafe und ein vorübergehendes Verbot für neue Mandate. EY nahm die Sanktionen später an.

Wirecard war im Juni 2020 unter der Last hoher Schulden zusammengebrochen, nachdem sich herausgestellt hatte, dass vom Unternehmen angegebene Treuhandkonten von 1,9 Mrd. Euro in Asien gar nicht existierten. Nach einer Sonderprüfung von KPMG verweigerte EY das Testat für den Abschluss 2019.