LeitartikelAutoindustrie

Gewagte Zuversicht bei VW

Vorstandschef Oliver Blume setzt dem Volkswagen-Konzern ehrgeizige Ziele, doch auch nach dem Kapitalmarkttag bleiben Zweifel. Die beabsichtigte nachhaltige Wertsteigerung dürfte vorerst auf sich warten lassen.

Gewagte Zuversicht bei VW

Als Oliver Blume Anfang September vorigen Jahres den Chefposten beim Volkswagen-Konzern übernahm, skizzierte er – abgeleitet von den Großbaustellen des Unternehmens – sogleich einen Zehn-Punkte-Plan für die operativen und strategischen Handlungsfelder. Bei der Umsetzung komme Europas größter Fahrzeugbauer seitdem gut voran, so die Wahrnehmung des Vorstandsvorsitzenden. Doch Punkt 10 des Blume-Plans zeigt exemplarisch: Der Weg zu den ambitionierten Zielen ist weit. Ob der Konzern sie erreichen kann, wird auch davon abhängen, ob Anleger davon kurzfristig zu überzeugen sind. Zweifel daran hat der Kapitalmarkttag, bei dem Volkswagen in dieser Woche das erste umfassende konzernweite Strategie-Update von Blume und seinem Managementteam präsentierte, erst einmal nicht beseitigt.

Dem im letzten Punkt verankerten Ziel, den Wert des Unternehmens nachhaltig zu steigern, ist Volkswagen seit dem Antritt Blumes als Konzernchef nicht näher gekommen. Dabei wurden die mit dem Plan verbundenen und beim Kapitalmarkttag nun detaillierter erläuterten Werttreiber in den vergangenen Monaten mit Investoren bereits diskutiert. Doch während die Aktien von BMW und Mercedes seit dem Spätsommer 2022 um jeweils mehr als 30% zulegten, steht für die VW-Vorzüge ein Minus von mehr als 10% zu Buche. Seit Ende August gingen über 12 Mrd. Euro Marktkapitalisierung verloren. Auch der Aktienkurs der Ende September an die Börse gekommenen und ebenfalls von Blume geführten Sportwagentochter Porsche kletterte seit dem Debüt um über 30%. An der Börse ist Porsche mehr wert als der gesamte VW-Konzern. Der erreichte im vergangenen Geschäftsjahr einen Rekordgewinn, während die (Vorzugs-)Aktie um 34% fiel. Die freien Aktionäre schütteln in Anbetracht der niedrigen Bewertung des Papiers den Kopf.

Blume und sein Team müssen bei Investoren Boden gutmachen. Der verkündete Paradigmenwechsel in der Steuerung des Konzerns, nachhaltiger Wertschöpfung den Vorrang zu geben vor reinem Volumenwachstum zur Steigerung der Profitabilität, zeigt ebenso wie die avisierte aktivere Kapitalmarktkommunikation in die richtige Richtung. Positiv ist auch: Mit einer Neuausrichtung des Führungsmodells, das nicht zuletzt schnellere Entscheidungen ermöglichen soll, sowie mit konkreten Finanzzielen für den Konzern sowie für Marken, Markengruppen und für die wichtigen Konzerngesellschaften, die einem stärker unternehmerisch geprägten Führungsansatz folgend künftig selbst für ihre Renditeziele und Strategie verantwortlich sein sollen, hat Volkswagen Investoren zum Kapitalmarkttag Anhaltspunkte geliefert, um Fortschritte bei der Umsetzung der operativen und strategischen Maßnahmen messen zu können.

Die mittelfristigen Finanzziele übertreffen zugleich bisherige Konsensschätzungen am Kapitalmarkt. Daraus lässt sich Zuversicht im VW-Management ableiten, die einmal mehr gewagt ist. Es bestehen weiterhin Risiken, die in Frage stellen, ob sich vor dem Hintergrund der bis 2027 in Aussicht gestellten Investitionen von 180 Mrd. Euro Vorgaben wie für die operativen Ergebnisse und für den freien Cashflow erreichen lassen. So müssen Maßnahmen wie die zur angekündigten Ergebnissteigerung um 10 Mrd. Euro, die der Kernmarke VW Pkw bis 2026 zu einer wettbewerbsfähigen Umsatzrendite von 6,5% verhelfen sollen, erst noch mit den mächtigen Arbeitnehmervertretern verhandelt werden. Wie schwierig Gespräche in Wolfsburg sein können, bekam noch bis voriges Jahr Blumes Vorgänger zu spüren. Nachweisen muss Volkswagen, dass die neu ausgerichtete Softwarestrategie trägt und die Tochter Cariad ins Laufen kommt. Im wichtigsten Absatzmarkt China stellen sich für den Konzern dringende Fragen bezüglich der Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte im Zukunftssegment der E-Fahrzeuge. Schnelle Fortschritte wird es nicht geben.

Und schließlich hat der Kapitalmarkttag auch Vorbehalte bei Anlegern aufgrund der Größe und der komplexen Strukturen des Konzerns nicht beseitigt. Diskussionen über etwaige Interessenkonflikte, die Investoren in der Doppelrolle von Blume an der Spitze zweier Dax-Werte sehen, werden beim Bemühen, den Wert des VW-Konzerns zu steigern, in Zukunft ebenfalls nicht förderlich sein.

Vorstandschef Oliver Blume gibt dem Konzern ehrgeizige Ziele vor, doch auch nach dem Kapitalmarkttag bleiben Zweifel.

Volkswagen

Gewagte Zuversicht

Von Carsten Steevens
BZ+
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