Globale Bankenaufseher müssen souveräner werden
Globale Bankenaufseher müssen souveräner werden
Krypto-Regulierung
Aufseher müssen souveräner werden
Globale Bankenaufseher geben bei der
Regulierung von
Krypto-Assets keine gute Figur ab. Ihre mangelnde Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem
Finanzsektor birgt
breitere Gefahren.
Von Alex Wehnert
Der Basler Ausschuss für Bankenaufsicht sendet mit seinen jüngsten Einlassungen zum Kryptomarkt gefährliche Signale ins globale Finanzsystem aus. So hat Erik Thedéen, Vorsitzender des globalen Notenbanker- und Kontrolleursgremiums, in der vergangenen Woche eingeräumt, dass in Bezug auf die Besicherung digitaler Assets in den Portfolios von Geldhäusern ein neuer Ansatz nötig sei. Zuvor waren Interessenvertreter und Branchenverbände gegen aus ihrer Sicht prohibitive Baseler Regelungen auf die Barrikaden gegangen, gemäß denen für volatile Cyberdevisen ab dem 1. Januar eine Risikogewichtung von 1.250% gilt. Effektiv müssten Banken damit für jeden Dollar, den sie auf ihren Bilanzen in Kryptowährungen halten, mindestens einen Dollar an Kapital vorhalten.
Revolution für das Zahlungssystem
Für die Institute wird damit insbesondere eine Beteiligung am rapide gewachsenen Markt für Stablecoins extrem teuer. Treibende Kraft dafür, dass die Marktkapitalisierung vermeintlich wertstabiler, an Assets wie den Dollar gekoppelter Token auf inzwischen über 300 Mrd. Dollar geschnellt ist, sind die Vereinigten Staaten unter Präsident Donald Trump. Diese haben mit dem im Juli verabschiedeten Genius Act erstmals ein Rahmenwerk für Stablecoins geschaffen, die nach dem Willen auch großer Händler wie Amazon und Walmart das globale Zahlungssystem revolutionieren sollen.
Wie Thedéen, zugleich Gouverneur der schwedischen Riksbank, zuletzt gegenüber der „Financial Times“ betonte, lag der Fokus beim ursprünglichen Anstoß zu den restriktiven Kapitalvorgaben auf Bitcoin, der nach seiner Rekordrally bis Anfang Oktober jüngst einen dramatischen Kursverfall hingelegt hat. Durch den Stablecoin-Boom habe sich alles verändert. Ob Marktteilnehmer wirklich daran glauben sollten, dass die Token um so viel sicherere Assets darstellen, dass sie gegenüber Bitcoin eine Vorzugsbehandlung verdienten, sei einmal dahingestellt.
Massenliquidation droht
In der Vergangenheit haben auch schwere Token ihre Koppelung an Basiswerte wie den Dollar verloren. Die Analysten von J.P. Morgan unterstrichen erst jüngst wieder die signifikanten Risiken für die Finanzstabilität, die eine zunehmende Fokussierung auf Stablecoins nach sich ziehen könne. Schließlich bestehe bei adversen Marktereignissen gerade für rund um die Uhr handelbare Krypto-Assets die Gefahr einer Massenliquidation, die auch auf andere Märkte und damit das gesamte Bankensystem überschwappen könnte.
Das Problem, das der Basler Ausschuss aufwirft, geht allerdings über sehr konkrete Stabilitätsrisiken durch Stablecoins hinaus. Denn Thedéen, der zugleich zugibt, dass eine Neuordnung der Krypto-Vorgaben infolge unterschiedlicher Sichtweisen nationaler Aufseher nicht einfach erreichbar sei, verdeutlicht eines: Globale Bankregulatoren sind sich untereinander nicht einig und damit gegenüber dem Sektor, den sie kontrollieren sollen, nicht durchsetzungsfähig. Die unter der von Trump eingesetzten Vize-Chefin Michelle Bowman zunehmend branchenhörige Federal Reserve hatte ebenso wie die Bank of England bereits in einem seltenen Affront angekündigt, die Basler Vorgaben nicht umsetzen zu wollen.
Rücksichtsloser Drang auf Deregulierung
Die Krypto-Aufsicht ist dabei nur ein Schlachtfeld im globalen Kampf gegen die Auswirkungen des rücksichtslosen Deregulierungsdrangs der opportunistischen Trump-Regierung. In Bezug auf Nachhaltigkeit hat Washington globale Behörden bereits erfolgreich zum Zurückrudern gedrängt und zum Beispiel eine Task Force des Basler Ausschusses zur Bewertung von Gefahren des Klimawandels für das Finanzsystem entscheidend geschwächt. Zudem haben die USA Schranken für Investitionen breiter Anlegerschichten in die Private Markets abgebaut, obwohl die massiven Kreditrisiken in dem Segment infolge spektakulärer Insolvenzen zuletzt deutlicher denn je zutage getreten sind – in Europa und anderen Rechtsräumen agieren Behörden deutlich zurückhaltender.
Die Alleingänge der Vereinigten Staaten stellen damit längst einen Konsens infrage, zu dem Regulatoren im Nachgang der Finanzkrise 2008 gekommen waren: Dass stärkere, koordiniertere Schutzwälle nötig sind, um Verwerfungen im zunehmend verschränkten globalen Bankensystem abzufedern und einen Spillover auf die Realwirtschaft zu verhindern. Die Zweifel daran, dass die Vereinigten Staaten das mühsam erarbeitete Regulierungspaket Basel III wie geplant umsetzen, haben sich seit Trumps Amtsantritt noch verstärkt – und zwingen damit die EU und Großbritannien in die Wartestellung. Bereits zuvor hatte die Fed mit ihrem Zickzack-Kurs erst die Tür für eine Grundsatzdiskussion über härtere Kapitalvorgaben geöffnet.
Bild der Schwäche
Zunächst hatte sie auch unter dem Eindruck der Kollapswelle unter amerikanischen Regionalbanken 2023 extrem hohe Mehranforderungen für die Besicherung von Eigenmitteln angepeilt, die über den internationalen Standard hinausgingen. Nach heftigen Protesten aus dem Finanzsektor ruderte die US-Notenbank im Herbst des vergangenen Jahres aber hektisch zurück. Wenngleich die Kritik, Fed und Konsorten hätten mit dem avisierten überharten Kurs die Wettbewerbsfähigkeit des amerikanischen Kapitalmarkts geschwächt, durchaus berechtigt war, zeigten die Regulatoren CEOs mit ihrer viel zu abrupten Kehrtwende damals doch eines: Wer sich laut genug beschwert, bekommt am Ende, was er will.
Die Debatte um die Krypto-Regeln verdeutlichen das Bild der Schwäche, das Behörden gegenüber den von ihnen zu beaufsichtigenden Instituten abgeben, noch. Der Basler Ausschuss und seine Mitglieder begeben sich damit auf eine schiefe Ebene. Input aus dem Finanzsektor zu berücksichtigen, mag in gewissen Punkten und bei der Konkretisierung bestimmter Regelwerke zwar vernünftig sein. Doch sollten Regulatoren nie so weit vor Banken kuschen, dass sie hauruckartig und unter öffentlichem Gejammer ganze Regelwerke infrage stellen. Sonst machen sie sich selbst überflüssig.
