Notiert inTokio

Großer Motor, großer Betrug

Die Karosseriewerkstätten des größten Gebrauchtwagenhändlers Bigmotor verschlimmerten mit Golfbällen und Hammern Unfallschäden an Blech und Lack. Ihr Versicherungspartner spielte mit.

Großer Motor, großer Betrug

Notiert in Tokio

Großer Motor, großer Betrug

Von Martin Fritz

Ein Skandal um gefälschte Versicherungsansprüche hat das Vertrauen vieler Japaner in ihre Autowerkstätten schwer erschüttert. Die Kette Bigmotor gestand, ihren Kunden überhöhte Preise für Reparaturen und Karosseriearbeiten in Rechnung gestellt zu haben, um die daraus resultierenden Versicherungsansprüche aufzublähen.

Das Wochenmagazin "Friday" verbreitete Videos, wie Autolackierer Golfbälle in eine Socke steckten und damit Dellen in die Karosserie schlugen. Auch Hammer kamen zum Einsatz. Es wurden auch Fotos manipuliert, um größere Schäden vorzutäuschen. In 1.275 Fällen wurden den Kunden im Schnitt 39.000 Yen (rund 250 Euro) zu viel in Rechnung gestellt. Die Ironie der Geschichte: In seinen landesweiten Fernsehspots karikierte Bigmotor seine Rivalen immer als korrupt und unzuverlässig.

Schließlich trat der Gründer und Eigentümer von Bigmotor, Hiroyuki Kaneshige, unter Tränen vor die Presse und schob sämtliches Fehlverhalten seinen Mitarbeitern in die Schuhe. Er entschuldigte sich bei allen Golfspielern dafür, dass Bigmotor das Image ihres Hobbys beschädigt habe, und trat als Präsident zurück. Bald stellte er sich als Lügner heraus: Denn seine Manager hatten ihren Beschäftigten mit Degradierung und Entlassung gedroht, falls sie ein eigentlich unerreichbar hohes Umsatzziel von 140.000 Yen (900 Euro) je Karosserie- und Lackreparatur nicht schafften. Dagegen hatte Kaneshige behauptet, diese angeblich unverbindliche Vorgabe sei ohne sein Wissen in ein festes Ziel umgewandelt worden.

Doch andere Indizien bestätigen eher, dass Bigmotor ein „schwarzes“ Unternehmen war. „Schwarz“ bedeutet im Japanischen „ausbeuterisch“. So berichteten Bigmotor-Mitarbeiter gegenüber der Zeitschrift "Friday", dass sie den Anweisungen von Vorgesetzten nicht widersprechen durften. Jeder Auftrag musste abgeschlossen werden. Die Mitarbeiter konnten Kunden ohne Genehmigung keine Preisrabatte anbieten.

Wer sich eine Genehmigung holte, wurde dafür getadelt. Ein Beschäftigter musste den Rabatt aus eigener Tasche bezahlen. In Chats beleidigten die Manager ihre Untergebenen: „Mach Deine Arbeit, Arschloch.“ In den Firmenrichtlinien stand passend dazu: „Die Manager, die die Vision von CEO Kaneshige umsetzen, haben die Macht über Leben und Tod der Beschäftigten.“ Als eine Zeitung darüber berichtete, entfernte Bigmotor diesen Satz.

Auch die Kunden verschonte die Autokette nicht. Eine Zeitung zitierte einen Mann, dem Bigmotor einen Gebrauchtwagen mit einem Raucher als Vorbesitzer verkaufte, obwohl er ausdrücklich ein Nichtraucherauto wollte: Als der Kunde versuchte, den Kaufvertrag zu annullieren, lehnte Bigmotor ab, das Auto sei ja schon geliefert worden. Die Kette sprühte auch starke Unkrautvernichter auf die öffentlichen Grünstreifen vor ihren Autohäusern, um Büsche und Bäume zu vergiften, die die Sicht auf die Ausstellungsflächen versperrten.

Neben der kriminellen Energie des Managements erklärt sich der Skandal auch mit staatlichen Vorschriften. Als größter Verkäufer von Gebrauchtwagen in Japan empfahl Bigmotor seinen Kunden meistens auch eine Versicherungspolice. Versicherer verwiesen ihre Kunden für eine Reparatur an Bigmotor, im Gegenzug sollte der Händler Policen von dieser Gesellschaft bevorzugen. Im Laufe der Zeit ging Bigmotor einen Deal mit dem größten Schaden- und Unfallversicherer Sompo ein. Der Sohn von CEO Kaneshige arbeitete für Sompo, 37 Mitarbeiter für Versicherung und Karosseriebau bei Bigmotor kamen von dort.

Der einfachste Weg für Sompo, Bigmotor für die Bevorzugung zu belohnen, wäre eine höhere Abschlussprovision für jede Police gewesen. Doch die Finanzaufsicht verlangt eine einheitliche Berechnung der Provision. Als Ersatz für mehr Provision schaute Sompo bei den aufgeblähten Rechnungen von Bigmotor weg. „Die fehlgeleitete staatliche Regulierung trägt eine große Mitschuld“, meint der Jurist Stephen Givens. Den „schwarzen“ Ruf wird Bigmotor trotzdem wohl nicht mehr los.

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