Notiert inMadrid

Grüne Sprossen in La Mancha

Tief in der Provinz im Herzen Spaniens steht inmitten eines Industriegebietes Europas größtes Werk für grünen Wasserstoff, das einen Düngemittelfabrikanten versorgt. Der Energieriese Iberdrola ist mit der gesammelten Erfahrung zufrieden.

Grüne Sprossen in La Mancha

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Grüne Sprossen in La Mancha

Von Thilo Schäfer

Der Hochgeschwindigkeitszug AVE zwischen Madrid und Sevilla muss auf der Fahrt durch die dünn besiedelte Region Kastilien La Mancha nur selten die Geschwindigkeit drosseln. Bei der Durchfahrt von Puertollano fällt unweigerlich ein großer alter Kohleförderturm ins Auge, der heute einen Kreisverkehr am Stadteingang schmückt. Hinter einer Hügelkette weisen die brennenden Schlote einer Erdölraffinerie darauf hin, dass inmitten der weitläufigen sonnigen Agrarregion, der Heimat von Don Quijote, eines der wichtigsten Industriegebiete Spaniens angesiedelt ist. Die Kohleminen in Puertollano sind längst geschlossen, aber die Raffinerie des Ibex-Konzerns Repsol funktioniert weiter und um sie herum haben sich andere Industriebetriebe angesiedelt. Der AVE macht für einen Ort mit knapp 50.000 Einwohnern oft halt in Puertollano. Es steigen Ingenieure, Techniker und Manager aus dem Energiesektor aus. Denn die kleine Stadt hat eine Vorreiterrolle bei einer der Zukunftstechnologien zur Dekarbonisierung. In einer Ecke des riesigen Industriegebietes steht das derzeit größte Werk für grünen Wasserstoff in Europa.

Unweit des Bahnhofs deutet eine Wasserstofftankstelle auf das Nationale Wasserstoffzentrum Spaniens, das Centro Nacional de Hidrógeno Verde, kurz CNH2, hin. Rund 50 Mitarbeiter basteln dort an neuen Elektrolysateuren, die für die Trennung von Wasser in Sauerstoff und Wasserstoff gebraucht werden, und an anderen Technologien zur Verwendung dieses Energieträgers. Das CNH2 sei ein Mittelding zwischen einem rein akademischen Forschungsinstitut und einem Zentrum für die praktische Anwendung, erklärt der Leiter der Anstalt, Miguel Ángel Fernández Sánchez. Man arbeite zusammen mit der Privatwirtschaft, sei es beratend oder auch in der Entwicklung, wie etwa für die spanischen Eisenbahnbauer CAF und Talgo, die auf grünen Wasserstoff setzen. Der Ingenieur stammt selbst aus Puertollano und ist nach anderen Stationen wieder hier gelandet. Sánchez erzählt stolz, dass sein Großvater einst in den Kohleminen arbeitete, sein Vater in der Raffinerie von Repsol beschäftigt war und er nun für die Entwicklung einer neuen Energieform verantwortlich ist.

Das bislang größte Projekt, mit dem das CNH2 zusammengearbeitet hat, ist das erwähnte Wasserstoffwerk des Energieriesen Iberdrola im Industriegebiet von Puertollano. In vielen Ländern gibt es bereits Anlagen zur Produktion von grünem Wasserstoff zur praktischen Anwendung, wie städtische Busse mit H2-Antrieb. Doch das Kraftwerk in La Mancha hat bereits industrielle Ausmaße. Es handelt sich um ein gemeinsames Projekt mit dem Düngemittelproduzenten Fertiberia, auf dessen Gelände sich das Werk befindet. Die 16 Elektrolysateure haben eine Kapazität von 20 Megawatt und können bis zu 10% des Energiebedarfs der Fabrik von Fertiberia decken. Gespeist wird die Anlage von einem nahen Solarpark von Iberdrola mit einer Kapazität von 100 MW. Das Ziel ist, demnächst den gesamten Energieverbrauch des Düngemittelherstellers zu garantieren. Fertiberia reagiert auf die wachsende Nachfrage nach „sauberen“, zumindest emissionsfreien Düngemitteln, mit denen die Hersteller von Lebensmitteln bei den Kunden ihrerseits mit dem grünen Etikett werben können.

Iberdrola hat 150 Mill. Euro in das Werk in Puertollano investiert, das vor einem Jahr eröffnet wurde. „Wir erleben hier einen unglaublich schnellen Lernprozess. Was wir heute über grünen Wasserstoff wissen, hat mit dem Stand von vor drei Jahren nichts zu tun“, berichtet Javier Plaza, zuständig für die Zukunftstechnologie bei Spaniens führendem Energieversorger. Dennoch scheinen die Ausmaße des Werks in La Mancha noch weit entfernt von den hehren Plänen der Politik zu sein. Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez sieht das Land als zukünftigen Hub, der ganz Europa mit grünem Wasserstoff beliefern kann. Dafür müsse jedoch noch viel an der Regulierung für diesen neuen Bereich gearbeitet werden und die Subventionen müssten schneller fließen, sagen die Verantwortlichen in Puertollano. Die Technologie sei ausgereift.