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Steuerschock für Biergärten

Die reformierte Grundsteuer trifft Berliner Kulturbetriebe und Gastronomie mit erheblichen Steuersteigerungen.

Steuerschock für Biergärten

Notiert in Berlin

Steuerschock für die Biergärten

Von Angela Wefers

Wer im Winter in Berlin vom Sommer im Biergarten träumt, könnte bald ausgeträumt haben. Die reformierte Grundsteuer setzt nicht nur vielen Hauseigentümern zu. Auch Biergärten, Clubs und andere Kultureinrichtungen sowie kleine Unternehmen sind in Berlin getroffen. Manche Gastronomen sehen sich vor der „Existenzvernichtung“, hat der Berliner „Tagesspiegel“ recherchiert. Demnach hat der Betreiber des Biergartens Jockel in Kreuzberg bislang 4.000 Euro Grundsteuer gezahlt, nun sind es 35.000 Euro. Beim Szeneclub Berghain ist die Grundsteuer von 20.000 auf 90.000 Euro gestiegen. Beim Beachclub Yaam – Young African Art Market – mit Bar, Live-Konzerten und DJ-Musik ist sie sogar um 1.300% auf 213.000 Euro explodiert.

Der Yaam Club am Spreeufer in Friedrichshain, Berlin I Global Travel Images | Jürgen Held

Bundesweit 36 Millionen Immobilien neu bewertet

Die novellierte Grundsteuer wird von 2025 an erhoben. Das Bundesverfassungsgericht hatte dem Gesetzgeber aufgetragen, Grundsteuer und Bewertungsgesetz zu überarbeiten. Die Immobilienbewertung war im Westen zuletzt 1964 und im Osten Deutschlands zuletzt 1935 aktualisiert worden. Daraus ergab sich eine Verzerrung bei der Besteuerung im Vergleich zu anderen Vermögenswerten. Rund 36 Millionen Immobilien mussten dafür bundesweit neu bewertet werden.

Das Bundesmodell, das der damalige Bundefinanzminister Olaf Scholz (SPD), entwickelte, führte einen Umverteilungsfaktor in diese – den Gemeinden zustehende – Steuer ein. Den Hebesatz legen die Kommunen weiterhin selbst fest. Damit ist die Grundsteuer von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich hoch. Neu ist aber, dass die Lage von Grundstück und Immobilie im Scholz-Modell mit einfließt. Damit sollen Eigentümer in hochwertigen Lagen stärker besteuert werden als die anderen. In Berlin trifft es nun auch die Gastro- und die weniger flüssige Kulturszene, wenn sich die Etablissements an begehrten Standorten befinden. Aber auch die Typisierung und Pauschalisierung kann im Einzelfall zu grotesken Ergebnissen führen.

Im Technoclub Berghain bei der diesjährigen Berlin Fashion Week. Foto: dpa | Jens Kalaene
dpa | Jens Kalaene

Die Opposition Linker und der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus dringt auf eine Sonderregelung im Gesetz, die Kulturbetrieben, Strandbädern, Clubs oder Biergärten das Überleben sichert. Wenn der Bodenwert den Ertragswert des Grundstücks um 100 % übersteigt, soll die Grundsteuer niedriger festgesetzt werden können. Wie realistisch dies politisch wäre, ist offen. Die Grundsteuer von rund 16 Mrd. Euro zählt zu den wichtigsten Einnahmen der Gemeinden. Berlin liegt mit einem erwarteten Aufkommen 2026 von 890 Mill. Euro auf Platz sechs und in der Spitzengruppe unter den Bundesländern.

Bundesfinanzhof entscheidet

Eine Variante zum Bundesmodell ist möglich. Dies hatten sich die Länder bei der Gesetzgebung ausbedungen. Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen und Niedersachsen gingen eigene Wege. Wie gut das Bundesmodell ist, wird sich bald zeigen. Rund 2,8 Mill Eigentümer haben bundesweit Einspruch gegen ihre Steuerbescheide erhoben. Der Bundesfinanzhof spricht in einem ersten Fall am 10. Dezember ein Urteil. Und der betrifft das Bundesmodell.