Im BlickfeldRadarsysteme

Gut gewappnet gegen Drohnen

Als größter europäischer Hersteller von boden- und seegestützter Radaren spielt Thales eine Schlüsselrolle bei der Drohnenabwehr. Die Nachfrage steigt, die Herausforderungen auch.

Gut gewappnet gegen Drohnen

Gut gewappnet gegen Drohnen

Als größter europäischer Hersteller von boden- und seegestützten Radaren spielt Thales eine Schlüsselrolle bei der Drohnenabwehr. Die Nachfrage wächst, weil das Bedürfnis steigt, die Lufträume zu schützen. Das stellt den CAC 40-Konzern vor Herausforderungen.

Von Gesche Wüpper, Paris

Eine idyllische Landschaft rund 50 Kilometer südlich von Paris. Unendlich weite Felder, unterbrochen hier und da von kleinen Wäldern. Am Ende einer einsamen Landstraße bei Limourss liegt ein von Bäumen und Zäunen geschützter Gebäudekomplex. Hier verbirgt sich eine der größten Radarfabriken Europas, in der Thales mit dem Ground Master eines der gefragtesten Luftüberwachungsradare überhaupt produziert.

„Radare sind eine der ältesten Aktivitäten von Thales“, erklärt Eric Huber, der bei dem französischen Rüstungselektronik- und Avionik-Spezialisten als Vice President für Überwachungsradare zuständig ist. „Wir haben gleich nach dem Zweiten Weltkrieg damit begonnen.“ In Europa ist Thales längst der größte Hersteller von boden- und seegestützten Radaren, weltweit nach eigenen Angaben die Nummer Drei nach Raytheon Technologies (RTX) und Lockheed Martin aus den USA.

Steigende Nachfrage

Das Interesse an den Thales-Radaren ist in den letzten Jahren stark gestiegen, spätestens mit Beginn des Ukraine-Krieges. „Wir haben seit Beginn der 2020er Jahre einen Anstieg der Spannungen und damit der Nachfrage gespürt“, berichtet Huber. Deshalb will der CAC 40-Konzern der Produktion in Limours jetzt weiter ausbauen, nachdem er sie in den letzten drei Jahren bereits verdreifacht hat. „Wegen dem zunehmenden Bedürfnis, die Lufträume zu schützen, und dem Anstieg der Rüstungsausgaben gibt es eine große Nachfrage“, sagt Huber.

Nach den verdächtigen Drohnensichtungen in Dänemark, Schleswig-Holstein, München und Frankfurt dürfte sie weiter steigen. Beratungsunternehmen wie Future Market Insights erwarten, dass der in diesem Jahr weltweit auf 18,3 Mrd. Dollar geschätzte Markt für Oberflächenradare bis 2030 auf 24,1 Mrd. Dollar zulegen wird. Fortune Business Insights geht sogar davon aus, dass er bis 2032 auf 31,2 Mrd. Dollar wachsen wird.

Interesse an der „Drohnenmauer“

Neben Thales, RTX und Lockheed Martin zählen Saab, Northrop Grumman, Leonardo, Hensoldt und BAE Systems zu den wichtigsten Akteuren der Branche. Thales habe eine starke europäische Präsenz, urteilt Nikhil Kaitwade von Future Market Insights. Der Konzern, an dem der französische Staat und Dassault Aviation mit je 26% beteiligt sind, liefere Radarlösungen für die Marine und Luftverteidigungsnetzwerke. Die Reichweite der Thales-Radare reicht von 20 bis 80 Kilometern bei kleinen Modellen wie dem Ground Observer bis zu 515 Kilometern bei großen wie dem Ground Master 400α.

Neben Schweden gehören Indonesien und Malaysia zu den Kunden, die bei Thales in den letzten Monaten Ground Master-Radare bestellt haben. Die Aufträge zeigen, woher zur Zeit das Wachstum der Branche kommt. Neben Europa und der Südostasien-Pazifik-Region gilt auch Nordamerika als Wachstumstreiber. In Europa will die EU-Kommission nun wie von den Baltischen Staaten gefordert eine „Drohnenmauer“ bauen, um die Ostflanke zu schützen. Wenn sie diesen Donnerstag ihren Fahrplan für die Verteidigungsbereitschaft der EU präsentiert, will sie laut Reuters vorschlagen, das auf mehrere Mrd. geschätzte Projekt auszubauen.

Viele finanzielle und technologische Details der „Drohnenmauer“ müssen jedoch noch geklärt werden. Fest steht, dass sie aus mehreren Stufen bestehen wird: Einem integriertem Netzwerk aus Radaren, anderen Sensoren zum Aufspüren von Drohnen und Gegenmaßnahmen. Thales hat sich bereit erklärt, sich daran zu beteiligen. Auch andere Rüstungsunternehmen wie Rheinmetall, BAE Systems und Saab haben Interesse bekundet.

KI hilft bei Identifizierung

Thales hat in den letzten Jahren bereits ein breites Arsenal zur Drohnenabwehr entwickelt. Neben Radaren gehören dazu auch Überwachungsdrohnen sowie Systeme zum Abfangen und zur Neutralisierung von Drohnen. Limours spielt dabei eine Schlüsselrolle, denn Thales hat sich mit seinen Radaren hier auch auf die zuverlässige Erkennung kleinerer und langsamer fliegenden Objekten wie Drohnen spezialisiert.

„Vor zehn, 20 Jahren wurden langsame fliegende Objekte noch als Vogel identifiziert“, berichtet Thales-Manager Huber. „Jetzt müssen Radare zuverlässig unterscheiden, ob es sich um einen Vogel oder eine Drohnen handelt.“ Bei der dafür notwendigen Analyse der Daten hilft neben anspruchsvollen Algorithmen auch Künstliche Intelligenz (KI). Auch zu schnell fliegende Ziele müssen erkannt werden.

Tragbare Radartechnologie aus Deutschland

Neben der Entwicklung immer präziserer Radare, die selbst kleine Drohnen, die sich in Windparks verstecken, wo die Rotorblätter eine Identifizierung erschweren, steht Thales vor anderen Schwierigkeiten. „Die größte Herausforderung für uns im Radar-Geschäft ist jetzt, die Produktion zu steigern“, sagt Huber. Hat Thales in Limours 2022 gerade mal neun Ground Master-Radarsysteme produziert, waren es letztes Jahr fast 30. In diesem Jahr soll die Produktion, von der 80% in den Export geht, auf rund 35 Exemplare steigen, also knapp drei pro Monat.

In den Niederlanden, wo Thales in einem Werk, das fast so groß ist wie Limours, vor allem Radare für die Marine baut, wird die Produktion ebenfalls hochgefahren. Genau wie in Ditzingen, wo die Deutschland-Tochter des Konzerns tragbare Radartechnologie fertigt. Geeignetes Personal zu finden und einzustellen, sei eine der Herausforderungen bei der Produktionssteigerung, erklärt Hubert. Diese stelle auch die Zulieferer vor Hürden.

Fachkräfte mit Service locken

Allein in Limours hat Thales letztes Jahr 400 neue Mitarbeiter eingestellt. In diesem Jahr sollen es ähnlich viele sein. Um Fachkräfte anzulocken, die nicht aufs Land ziehen wollen, bietet der Konzern extra Shuttle-Busse zu den nächsten Vorortzug-Bahnhöfen an. Inzwischen beschäftigt Thales für seine Radaraktivitäten mehr als 4.000 Mitarbeiter, davon mehr als 2.000 in Limours. Angaben, wieviel Umsatz der Geschäftsbereich erzielt, macht der Konzern nicht. Rund 1,2 Mrd. Euro, schätzt „Les Echos“. Der Gesamtkonzern kam 2024 auf 20,6 Mrd. Euro.