Gute Idee, schlecht verkauft
Noch wird bei Daimler geprüft, gerechnet und diskutiert, ob sich der Autokonzern auf die größte strukturelle Veränderung seit zehn Jahren einlassen wird. Aber alles deutet darauf hin, dass Vorstand und Aufsichtsrat sich für eine Neuaufstellung in rechtlich selbständige Einheiten entscheiden. Unter dem Dach einer Holding sollen dann nach den derzeitigen Plänen drei AGs gebündelt werden: Mercedes-Benz Cars und Vans, Daimler Trucks und Busse sowie die bereits rechtlich eigenständigen Daimler Financial Services, die neben der Absatzfinanzierung als Sammelbecken für neue Mobilitätsdienste dient.Die Autoindustrie steht vor den gravierendsten Einschnitten ihrer Geschichte. Dafür sorgen die Digitalisierung, die Produktions- und Arbeitsweisen verändert, der darauf aufbauende Trend zur Vernetzung, der wohl bereits in den nächsten zehn Jahren zu autonomen Fahrzeugen führen wird, sowie die Elektromobilität, die durch den politischen Druck nach dem von der Autoindustrie selbst verschuldeten Abgas-Skandal Fahrt aufnimmt. Zusammengenommen bedeuten diese Entwicklungen, dass in der Branche kaum etwas bleibt, wie es war und ist. Alles verändert sich, und zwar rasant. Mit nach dem üblichen Muster erstellten Strategieplänen für Elektromodelle oder Investitionen in Start-ups ist es für die traditionellen Autohersteller daher nicht getan. Sie müssen komplett neue Wege einschlagen, um ihre Stärke und Bedeutung zu wahren. Das versucht Daimler und beweist damit Mut zur Veränderung.Die Daimler-Investoren sind jedoch, seit die Holding-Pläne bekannt wurden, in der Bewertung gespalten. Dass der Konzern flexibler werden, Risiken streuen und neue Kooperationen ermöglichen will, wird positiv gesehen. Allerdings gibt es auch Kritik: Die einen Investoren monieren, dass die Lkw-Sparte, der als eigenständiges Unternehmen eine Bewertung von rund 30 Mrd. Euro zugerechnet wird, nicht direkt an die Börse gebracht werden soll. Die anderen bemängeln, dass der Konzern der Arbeitnehmerseite großes Mitspracherecht bei der Gestaltung des Wandels einräumt. Der Konzern argumentiert zu Recht, Änderungen dieses Ausmaßes seien nicht gegen die Beschäftigten, auf die eine komplett neue Arbeitswelt zukommen wird, durchsetzbar. Mit einem Punkt sind indes alle Investoren unzufrieden: dass sich die derzeitige Ertragskraft, die Zukunftsinvestitionen des Konzerns und der Wille, den künftigen Markt für Mobilitätsdienste auf Kosten der eigenen Konzernstruktur mitzugestalten, nicht längst in einem höheren Aktienkurs niederschlagen. Daran dürfte neben der allgemeinen Zurückhaltung bei Auto-Aktien wegen der bekannten externen Einflüsse auch die Zurückhaltung des Konzerns bezüglich konkreter Aussagen zu Details, Kosten und Zielen des Umbaus beitragen.Vorstandschef Dieter Zetsche und Finanzvorstand Bodo Uebber sind keine Rampensäue wie Tesla-Chef Elon Musk. Dieser hat die Begabung, sich selbst und sein Produkt so gut zu verkaufen, dass es vielen Kunden ob ihrer schieren Begeisterung für die Marke egal ist, ob die Autos fehlerfrei auf den Markt kommen. Daimler nutzt ihre starke Marke und deren Qualitätsversprechen dagegen viel zu wenig. Es gibt Fans von Mercedes-Autos, aber keine Daimler-Jünger. Die Bewertung von Apple oder Tesla erklärt sich aber auch mit der Anziehungskraft der Marke.Wer den neuen Markt für Mobilitätsdienste beherrschen will, der muss begeistern. Da hilft klotzen, und nicht kleckern. Nicht, indem Versprechen gemacht werden, die nicht einzuhalten sind. Sondern indem das, was Daimler auf technologischer und Dienstleistungsebene anbieten kann, mit der nötigen Lautstärke in die Welt posaunt wird, um so neben dem Markt auch potenzielle Kunden von der Zukunft der Marke zu überzeugen.Absolute Überzeugung von der eigenen Stärke strahlen die wenigen Informationen, die der Konzern zu seiner künftigen Struktur gibt, nicht aus. Auch Investoren und Analysten stehen der künftigen Welt der Mobilität noch ziemlich ratlos gegenüber. Umso wichtiger wäre es, neben den Arbeitnehmern auch sie auf die Reise mitzunehmen und aktiv und öffentlich in die Diskussion, wie Daimler mit den Zukunftsherausforderungen umgeht, einzubinden. Das wäre ein Bruch mit der bisherigen Kommunikation und ein Risiko. Aber es würde zeigen, dass Daimler es ernst meint und angesichts der Herausforderungen in den kommenden Jahren nicht nur strukturell, sondern auch kulturell und kommunikativ bereit für neue Wege ist.——–Von Isabel Gomez Wer den neuen Markt für Mobilitätsdienste beherrschen will, muss potenzielle Kunden und den Markt dafür begeistern. Da hilft klotzen, und nicht kleckern.——-