Notiert in Moskau

Häufung der Unannehmlichkeiten

Der Ukrainekrieg hat zu keinen existenziellen Mängeln in Russland geführt. Aber die Einschränkungen und Unannehmlichkeiten nehmen zu. Insbesondere im neuralgischen Autosektor.

Häufung der Unannehmlichkeiten

Notiert in Moskau

Häufung der Unannehmlichkeiten

Von Eduard Steiner

Von wundersamen Dingen berichten die russischen Autofahrer in letzter Zeit. Dass das Navigationsgerät in den Autos immer wieder ausfällt, weil der Staat beim Internet manipuliert bzw. dieses abstellt, ist zwar höchst enervierend und einer der Gründe für die zunehmende Gereiztheit. Aber da wisse man wenigstens noch, dass man damit rechnen müsse und woher es komme. Aber dass das Navi dann, wenn es mal funktioniert, völlig verwirrt zu sein scheint und etwa zweimal zum „rechts abbiegen“ auffordert, obwohl gar keine Abzweigung kommt, sei dann doch zu viel des Schlechten, sagen Betroffene. Als ob es nicht reiche, dass das Benzin extrem teuer geworden ist, weil die ukrainischen Drohnenangriffe viele Ölraffinerien zerstört haben und Flugpassagiere wochenlang wegen der drohnenbedingten Flugausfälle aufs Auto umsteigen und elendslange Reisen durchs Land nun eben mit dem PKW durchführen müssen.

Das Auto ist auch in Russland ein neuralgischer Punkt für die Bevölkerung. Und just auf diesen Sektor haben Krieg und Sanktionen eine der stärksten Auswirkungen. Die Autoindustrie ist fast zur Gänze verloren, nachdem sich westliche Produzenten, die einst mit allen möglichen Mitteln ins Land gelockt worden waren, nach Beginn des Ukrainekrieges zurückgezogen haben. Sie hatten den Sektor zuvor erst aus der Rückständigkeit hochgezogen und bewirkt, dass binnen weniger Jahre aus dem dominanten Import eine dominante einheimische Produktion geworden ist.

Hauptsächlich westliche Autos auf den Straßen

Die chinesischen Exporteure allerdings, die seit Kriegsbeginn die Lücke der westlichen Autokonzerne in Russland füllen, beschränken sich fast ausschließlich auf den Export und scheuen vor einer Produktion im Land zurück. Inzwischen dominieren sie den Markt für Neuwagen zu mehr als 50%. Der gesamte russische Fuhrpark freilich – vorwiegend bestehend aus Gebrauchtwagen – ist immer noch von westlichen Pkw dominiert. Eines der Probleme: Es fehlt wegen der Sanktionen an Ersatzteilen. Und so kommt es, dass Autos nicht mehr geklaut werden, um sie weiterzuverkaufen, sondern um Ersatzteile zu gewinnen.

Wenig wundert also, dass vor allem Marken gestohlen werden, die offiziell nicht auf den russischen Markt gelangen können. Eine Umfrage des Branchenportals Autonews.ru unter den landesweit größten Versicherungsgesellschaften hat ergeben, dass insbesondere die Marken Kia, BMW, Hyundai, Renault, Skoda, Toyota und Lexus gestohlen werden. Vereinzelt auch VW und Range Rover. „Die Statistik der Diebstähle ist sehr eng mit der statistischen Präsenz der jeweiligen Modelle auf dem Markt verbunden“, wird Ilja Plisov vom Verband der Autodienstleister in russischen Medien zitiert.

Und wie meinte der renommierte Ökonom Vladislav Inozemtsev im Gespräch mit der Börsen-Zeitung? Der Ukrainekrieg habe zu keinen existenziellen Mängeln in der Bevölkerung geführt. Aber die Zahl der Einschränkungen und Unannehmlichkeiten nehme zu.