Halbleere Strände im August
Notiert in Mailand
Halbleere Strände im August
Viele Italiener können sich keinen Urlaub mehr leisten und bleiben daheim
Von Gerhard Bläske
bl Mailand
Halbleere Strände Anfang August an der Adria. Selbst an Ferragosto (Maria Himmelfahrt), traditionelle Hauptreisezeit in Italien, ist die Zahl der italienischen Touristen gegenüber dem Vorjahr um eine Million auf 12 Millionen gesunken.
Laut Innenministerium sind die Touristenzahlen im Juni, Juli und in den ersten Augusttagen deutlich gewachsen. Dagegen berichtet Fabrizio Licordari, Präsident des Branchenverbandes Assobalneari, über Rückgänge von bis zu 40%.
Mehr Ausländer, aber weniger Italiener
Es ist notwendig, zu differenzieren. In den ersten sechs Monaten des Jahres sind laut dem Hoteliers-Branchenverband Federalberghi die Übernachtungszahlen ausländischer Gäste um 2,3% auf 67,7 Millionen gestiegen, die der Italiener sanken um 0,8% auf 53,7 Millionen. Also: Mehr Ausländer, aber weniger Italiener. Aber auch da ist das Bild nicht einheitlich. Laut Federalberghi-Präsident Bernabò sind 20% weniger US-Amerikaner gekommen. An der Adria bleiben zunehmend Deutsche und Österreicher aus, dafür kommen mehr Osteuropäer.
Dass viele Italiener daheim bleiben, führt Bernabò auf die deutlichen Preissteigerungen zurück: Laut Statistikamt Istat kosten etwa Inlandsflüge 35,9% mehr als im Vorjahr, Mietautos knapp 10% mehr und auch Fähren, Hotels, Restaurants oder Strandliegen sind deutlich teurer geworden.
Stagnierende Realeinkommen
Im Extremfall kann etwa ein Strandzelt mit Liegen und einigen Extras pro Tag 1500 Euro kosten – im toskanischen Luxusbadeort Forte dei Marmi. Bei Assobalneari-Chef Licordari an der Adria bei Ferrara zahlt man für zwei Liegen mit Sonnenschirm dagegen „nur“ 18 Euro.
Angesichts von Realeinkommen, die seit Jahren stagnieren, können sich immer mehr Italiener keinen Urlaub mehr leisten. Und wer fährt, spart: Statt ins Restaurant zu gehen, nehmen sich immer mehr Urlauber Getränke und Snacks von zu Hause mit. Die Verweildauer in den Unterkünften geht immer weiter zurück. Viele fahren nur noch wenige Tage in die Ferien.
Berge gewinnen an Beliebtheit
Italiens Tourismus ist nach wie vor zu stark auf die Hochsommermonate Juli und August fokussiert. Schon Mitte September schließen viele Restaurants. Das beginnt sich langsam zu ändern – auch angesichts von Temperaturen, die ab Ende Juni über Wochen tagsüber um die 40 Grad erreichen und selbst nachts kaum unter 30 Grad zurückgehen. An Beliebtheit gewonnen haben die Berge.
Das Thema Tourismus ist in Italien mit Emotionen behaftet. Das ist in Anbetracht der wirtschaftlichen Bedeutung der Branche, die für Einnahmen von 230 Mrd. Euro steht, verständlich. Andererseits wäre ein Rückgang angesichts der Menschenmassen an Hot Spots wie Venedig, Florenz oder in den Cinque Terre nicht von Schaden.
Für das Gesamtjahr erwartet Massimo Caputi, Präsident des Branchenverbandes Federterme und Vizepräsident beim Industriellenverband Confindustria für den Bereich Hotels, immerhin ein Plus von 5% gegenüber dem Vorjahr – vor allem dank der ausländischen Gäste.