Hilfe verdient Gegenleistung
Sozialstaat
Hilfe verdient
Gegenleistung
Von Heidi Rohde
Während die „Reform“ der Schuldenbremse am Ende doch ein Leichtes war, wird die Reform des Sozialstaats auf die lange Bank geschoben. Denn sie ist mit jeder Menge politischem Sprengstoff verbunden und daher – hört hört! – geeignet, den Zusammenhalt der Koalition infrage zu stellen. Allerdings stellen fehlende Reformen auch zunehmend den Zusammenhalt der Gesellschaft infrage. Auf kommunaler Ebene, also im Nahraum des bürgerlichen Miteinanders, explodieren die Kosten. Städte und Gemeinden haben laut Bertelsmannstiftung im vergangenen Jahr ein Rekorddefizit von 25 Mrd. Euro angehäuft. Grund sind vor allem gestiegene Ausgaben für Personal und für Sozialhilfen. Letztere sind binnen zwei Jahren um ein Viertel in die Höhe geschossen.
Hohe Kosten, eingeschränkte Leistungen
Derweil klafft zwischen Kosten und Leistungen eine wachsende Lücke. Kitas schränken Öffnungszeiten ein, mancherorts verringert die Müllabfuhr den Takt, die Grünpflege lässt zu wünschen übrig und die Verwaltung arbeitet im Schneckentempo. Abhilfe tut Not. Ein Blick über den Tellerrand kann dabei helfen. In Schweden, wo in den 90er Jahren eine handfeste Wirtschaftskrise zur Reform des Sozialstaats zwang, wurde damals nicht nur die umlagefinanzierte Rente durch ein kapitalgedecktes System ergänzt, das heute Vorbildcharakter hat. Auch die Solidarität mit Sozialhilfeempfängern wurde neu definiert. Wer vom Staat unterstützt wird, muss sich nicht nur wie in Deutschland aktiv um eine neue Stelle bemühen und bei einer wiederholten Ablehnung von Job-Angeboten Kürzungen fürchten. Wer bald nichts Passendes findet, wird zudem aufgefordert, für die Solidargemeinschaft eine Gegenleistung zu erbringen. Diese sogenannten Praktika sind nicht freiwillig, und die dabei vermittelten Tätigkeiten umfassen vielfach jene Aufgaben, für die den Kommunen Ressourcen fehlen: Grünpflege, einfache Verwaltungsassistenz, Betreuungsunterstützung in öffentlichen Einrichtungen.
Quotensieger Schweden
Im Ergebnis erhöht dies in der Bevölkerung nicht nur die Akzeptanz für Sozialleistungen, sondern motiviert Leistungsempfänger auch zur Reintegration in den normalen Arbeitsmarkt. In Schweden ist die Sozialhilfequote, also die Zahl der Hilfeempfänger gemessen an den Erwerbstätigen insgesamt, über die Jahre gesunken und hat 2023 ein Tief von knapp 12% erreicht. In Deutschland lag die Quote Schätzungen zufolge hingegen zuletzt bei knapp 17%. Das sollte nachdenklich stimmen.