Hochvermögende Kundschaft zieht internationale Banken nach München
Hochvermögende Kundschaft zieht internationale Banken nach München
Hochvermögende Kundschaft zieht internationale Banken nach München
J.P. Morgan expandiert mit Büro – Start-up-Szene sorgt auch für Aufbau von Firmenkundengeschäft – Bundesbank-Präsident diagnostiziert Konkurrenzdruck von US-Banken – Wealth-Management-Experten umworben.
Von Michael Flämig, München
James Dimon steht – wie die meisten CEOs – bei seinen Managern nicht im Ruf, ihre Geschäftsergebnisse allzusehr zu loben. Doch wenn der Chef von J.P. Morgan seiner Untergebenen Mary Callahan Erdoes lauscht, wie sie einer Analysten-Runde ihre Sparte Asset & Wealth Mangement als Mikrokosmos der gesamten Bank beschreibt, dann fällt er ihr schon mal mit einer Ergänzung ins Wort: Die Einheit sei die Aktivität „mit den höchsten Ergebnissen“ des US-Instituts. Eine fulminantere Anerkennung gibt es bei der US-Bank nicht.
Tatsächlich konnte Erdoes auf dem Kapitalmarkttag im Mai eine Vorsteuerrendite von 34% und eine Kapitalrendite in gleicher Höhe präsentieren. Derlei Erfolge will die Bank künftig verstärkt auch international hebeln.
Asset Management startet Turbo
Im Asset Management hat J.P. Morgan das verwaltete Vermögen außerhalb der USA innerhalb der zehn Jahre von 2014 bis 2024 auf 824 Mill. Dollar verdoppelt, der Global Private Bank gelang international fast eine Verdreifachung auf 751 Mill. Dollar. Nun ist in der gesamten Vermögensverwaltung (inklusive US-Geschäft) eine Verdopplung bis in die dreißiger Jahre geplant, das Global Private soll fast im gleichen Tempo zulegen. Beide Einheiten bilden die Sparte Asset & Wealth Management.
Dabei kommt Deutschland ins Spiel. Im November hat die Bank ihre deutsche Zentrale der digitalen Privatkundenbank Chase in Berlin eröffnet, im zweiten Quartal nächsten Jahres soll in Deutschland eine digitale Banking-App mit persönlichem Kundenservice folgen.
Bundesbank sieht US-Vormarsch
Während diese Aktivitäten eher auf den Massenmarkt zielen und damit die durchschnittlichen Anlagebeträge sehr niedrig sind, nehmen die Amerikaner auch das Private Banking in Süddeutschland samt Wealth Management ins Visier. Seit dem vergangenen März sind sie in der Hauptstadt Bayerns mit einem eigenen Büro vertreten. Ursprünglich war die Bank früheren Angaben zufolge mit vier Personen gestartet, jedoch ist das Projekt auf Wachstum gepolt. In dem Münchner Büro arbeiten darüber hinaus einige Beschäftigte im Firmenkundengeschäft.
J.P. Morgan gilt nun als größte internationale Bank in Deutschland. Die Expansion amerikanischer Branchengrößen fällt auch der Deutschen Bundesbank auf. „Da ist in der Tat der Konkurrenzdruck der US-amerikanischen Banken groß, die immer stärker versuchen, auf den deutschen und europäischen Markt zu drängen“, sagt Präsident Joachim Nagel auf eine entsprechende Publikumsfrage nach einem Vortrag auf dem Bayerischen Bankentag Ende November. Die Bundesbank müsse bei der Regulierung dafür sorgen, dass eine Art Level Playingfield entstehe, damit deutsche beziehungsweise europäische Banken im globalen Konzert besser bestehen könnten, erklärt er.
Die Expansion unterlegt J.P. Morgan bankweit mit eindrucksvollen Ausgaben in der Sparte Asset & Wealth Management. Erdoes sprach schon auf dem Kapitalmarkttag im Mai von einer weiteren Steigerung im laufenden Jahr, auch mit Blick auf Research und Technologie: „Das wird unsere größte Investition in der Geschichte von Asset& Wealth Management sein.“
Warum die Bank dabei auch gerade hierzulande expandiert? „Deutschland ist für uns als Unternehmen ein äußerst wichtiger Markt“, erklärt ein Sprecher. Das Land sei der drittgrößte Markt außerhalb der USA. Mittlerweile zähle die J.P. Morgan SE mit Hauptsitz in Frankfurt, gemessen an der Bilanzsumme, zu den fünf größten Banken in Deutschland. Ohne einen konkreten Zeitraum zu nennen ergänzt er: „In den vergangenen Jahren haben wir unsere Mitarbeiterzahl in Deutschland verdoppelt.“
Cambridge: Deutschland lukrativ
Und: Man investiere weiterhin in das Land, betont der Sprecher. Mittlerweile gebe es mit Frankfurt, Berlin und München drei Büros. Dort arbeiteten rund 1.000 Mitarbeiter. Im nächsten Jahr wird noch ein Gang hochgeschaltet. 2026 werde ein Büro in Hamburg eröffnet, erklärt der Sprecher.
Deutschland ist gerade im Asset-Management-Geschäft mit hochvermögenden Kunden sehr lukrativ, und dies haben auch Konkurrenten erkannt. Die US-Investmentfirma Cambridge Associates, die weltweit 600 Mrd. Dollar verwaltet, ist schon mehr als fünf Jahre in München präsent. Das Brexit-Votum sei der Anlass gewesen, verschiedene Standorte in der Europäischen Union (EU) zu analysieren, um eine in der EU lizenzierte Tochtergesellschaft zu gründen, erinnert sich Europa-Chef Alexander Koriath, der auch die Region Nahost verantwortet.
Dass Deutschland damals Dublin ausstach, das angesichts seiner Rolle als Finanzzentrum eine naheliegende Wahl gewesen wäre, begründet Koriath mit Vertriebsüberlegungen: „Uns war wichtig, näher an unserer bestehenden Kundenbasis in Italien, Benelux und der Schweiz sowie potenziellen Neukunden zu sein.“ Schließlich gebe es attraktive Wachstumschancen insbesondere in der Region Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Digitale Ansprache hin oder her – für die Banken ist die Nähe zum Kunden, natürlich zu vertretbaren Kosten, seit vielen Jahren wieder die Goldwährung. Dies gilt sogar für das Massengeschäft von US-Banken. Topmanagerin Marianne Lake, die für J.P. Morgan das Consumer & Community Banking leitet, rechnet gerne vor, dass ihre Sparte das Kundenvermögen in den Jahren 2019 bis 2024 auf 1,1 Bill. Dollar verdoppelt habe. Wie dies gelungen sei? „Das Geheimnis liegt darin, die Filialen zu nutzen“, berichtet Lake.
Platzhirsch HVB
Auch Koriath hat dies im Blick, wenn er – in dem anders gelagerten Segment der hochvermögenden Personen und Institutionen – davon spricht, dass sich innerhalb Deutschlands München in der Standortwahl deswegen durchsetzte, weil sich die geografische Nähe zu den Kunden in der Schweiz und Italien als vielversprechend erwiesen habe: „Außerdem überzeugt München durch seine Lebensqualität.“ Dies helfe dabei, hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, auch internationale.
Dies ist ein relevanter Aspekt gerade im Geschäft mit hochvermögenden Kunden. Schließlich müssen sich die ausländischen Banken hier gegen den Platzhirschen HypoVereinsbank (HVB) durchsetzen. J.P. Morgan hat daher im September bei UBS Switzerland zugriffen. Matthias Musch, der bei dem Konkurrenten zuvor für das Wealth Management International Lateinamerika zuständig war, leitet künftig das Private-Bank-Team in München.
Auch andernorts dreht sich das Karussell im Münchner Herbst ausgeprägt. Die Deutsche Bank musste Stephan Grathenauer abgeben, der per 1. Oktober die Leitung des Wealth Managements am Standort München für die HVB übernahm.
Geschäft mit Firmenkunden
Die Stelle wurde frei, weil Maurice Friedemann den intensivierten Marktauftritt eines weiteren ausländischen Players nutzte. LGT Private Banking, die internationale Privatbank des Fürstenhauses von Liechtenstein, hatte den deutschen Markt im Oktober 2022 wiederentdeckt. Nun startet sie am 1. Januar nächsten Jahres mit einem zwölfköpfigen Private-Banking-Team in München, das Friedemann mitleitet. Die bayerische Landeshauptstadt gehöre zu den bedeutendsten Zentren des Private Banking in Deutschland, begründet LGT die Expansion.
Auffällig: J.P. Morgan beschränkt sich in Süddeutschland nicht auf den Markt für Private Banking. Vielmehr wird der Standort auch für das Firmenkundengeschäft genutzt. Im Geschäft mit international tätigen Großunternehmen ist J.P. Morgan deutschlandweit sowieso schon stark vertreten. Die Amerikaner haben in den vergangenen Jahren zugleich ein anderes Aktionsfeld mit spezialisierten Teams beackert: den international tätigen deutschen Mittelstand.
Earlybird: München dynamischer
Das Büro in München übernimmt jedoch noch eine andere Aufgabe. „Hinzu kommt ein Fokus auf wachstumsstarke Start-ups, die wir mit zugeschnittenen Services schon in frühen Phasen ihres Lebenszyklus begleiten“, erläutert der Banksprecher. Dies läuft bei den Amerikanern unter dem Siegel Innovation Economy-Geschäft. Auch Cambridge-Associates-Europachef Koriath hatte diesen Aspekt berücksichtigt, als sein Haus sich für den Standort an der Isar entschied: „Die Stadt bietet ein dynamisch wachsendes Ökosystem von Private Investment Managern.“
Tatsächlich schiebt sich Oberbayern, nicht ganz irrelevant für das Private Banking, auch in diesem Feld nach oben. „Wir beobachten, dass sich München aktuell deutlich dynamischer als Berlin entwickelt und an Boden gewinnt“, berichtet Hendrik Brandis, Mitgründer des Frühphaseninvestors Earlybird. Dies sei wesentlich getrieben von dem aktuellen Trend hin zu Deep Tech: „Da denke ich zum Beispiel an Unternehmen wie Isar Aerospace oder Marvel Fusion“, so Brandis mit Blick auf das eigene Portfolio.
Brandis hat bei seiner Analyse vor allem die Startups und Talente im Blick. Für die Ansprache von Investoren spiele die Frage, wo der Standort in Deutschland – also in Berlin oder München – liege, eine geringere Rolle: „Da macht eher unsere starke Präsenz in London einen Unterschied.“
Deep Tech auf Weltniveau
Für Startups aber habe München eine bessere und breitere Basis als andere Standorte, sagt der Earlybird-Chef. München sei schon immer eine starke Basis für Earlybird, die dortige Präsenz wachse derzeit deutlich: „Gerade an der TU München entstehen Technologien und Ideen, insbesondere im Bereich Deep Tech, auf absolutem Weltniveau.“
Auf Expansion in München ist auch Cambridge Associates gepolt. Der Europa-Chef Koriath berichtet, man habe das Team mittlerweile von drei auf 21 Mitarbeiter ausgebaut. Auch aus Sicht der Kunden in der Region Deutschland, Österreich und der Schweiz habe sich die Entscheidung als richtig erwiesen: „Ihre Resonanz war extrem positiv und hat unsere Erwartungen sogar übertroffen.“
J.P. Morgan, das in internen Mails von einer „Wachstumsagenda“ spricht, hatte schon zur Münchner Büro-Eröffnung im März klargemacht, dass man im Laufe der Zeit weitere Kollegen einstellen wolle. CEO Dimon hatte vier Monate später mit Blick auf die Sparte International Private Bank stolz erklärt: „Wir gewinnen in vielen Bereichen Marktanteile hinzu.“ Dies darf man als Kampfansage werten.
