Frankfurt

Ich bin ein Mensch

Manche Websites lassen sich nur öffnen, wenn man zuvor beweist, dass man kein Automat und kein Bot ist, sondern ein menschlicher Internet-Nutzer. Doch oft ist es gar nicht so einfach, einen Zahlen-Buchstaben-Code abzuschreiben, vor allem, wenn er „O“ und „0“ enthält oder „E“ und „3“ oder auch „8“ und „B“.

Ich bin ein Mensch

In der amerikanischen Filmkomödie „Der Mann mit den zwei Gehirnen“ wird ein – von Steve Martin gespielter – Neurochirurg namens Dr. Hfuhruhurr von einem ausgesprochen argwöhnischen Verkehrspolizisten gestoppt, der ihm einen Alkoholtest der besonderen Art abverlangt. Zunächst muss der Mediziner seine Nasenspitze mit den Fingern treffen und in geradem Gang entlang der Mittellinie der Straße schreiten – so weit, so gut. Da dies dem Polizisten jedoch nicht reicht, muss der Arzt noch einen Handstand mit nur einem Arm und Flicflacs präsentieren. Und schließlich muss er mit Orangen jonglieren, dabei steppen und zugleich das Kathalina-Magdalena-Lupensteiner-Lied zum Besten geben. Erst als Dr. Hfuhruhurr auch diese Aufgaben bewältigt, ist der Verkehrspolizist überzeugt, dass der von ihm gestoppte Autofahrer tatsächlich noch fahrtauglich ist.

An den leidgeplagten Dr. Hfuhruhurr fühle ich mich immer häufiger erinnert. Nämlich dann, wenn ich eine Website öffnen möchte und zunächst einen Test bestehen muss, um zu beweisen, dass ich kein Roboter bin. Denn entweder werde ich immer älter und dusseliger – oder diese Überprüfungen werden immer schwieriger.

Neulich wurde beispielsweise abverlangt, einen Zahlen-Buchstaben-Code abzuschreiben, der wegen der unterschiedlichen Zifferngrößen und Schriftarten nicht allein für Bots und Automaten, sondern auch mit menschlichem Auge kaum eindeutig zu entziffern war: Die „8“ war von einem „B“ nicht zu unterscheiden, die liegende „3“ hätte gut und gerne auch ein andersherum liegendes „E“ sein können und „O“ und „0“, also der Vokal und die Zahl Null, waren ohnehin beim besten Willen nicht auseinanderzuhalten.

Noch komplizierter wird es, wenn man nicht allein Zahlencodes abschreiben, sondern aus einer Reihe von Fotos jene heraussuchen muss, die ein bestimmtes Merkmal enthalten. So lautete jüngst die Aufgabe: „Klicken Sie alle Bilder an, auf denen das Meer stürmisch zu sehen ist.“ Echt jetzt? Klar, das Foto vom Orkan im Pazifik zählt dazu, aber was ist mit dem Bild von den gischtumspülten Nordseewellen. Ist das unruhige See, aufgewühlte Brandung oder schon stürmisches Meer? Unter uns: Drei Anläufe waren nötig, um dieses schwere Hindernis auf dem Weg zur Website zu überwinden.

Kompliziert sind auch die Suchspiele, bei denen es darum geht, Ampeln (zählen denn auch die ganz im Bildhintergrund?), Motorräder (gehören dazu auch Mopeds und Mofas?) oder Antennen (die übersieht man ja sogar manchmal im echten Leben!) zu erkennen.

Ein technikaffiner Kollege hat neulich berichtet, dass es bei diesen Überprüfungen letztlich gar nicht darauf ankomme, tatsächlich die richtigen Treffer anzuklicken. Vielmehr werde registriert, in welcher Art und Weise man auf die Aufgabe reagiere. Ein Mensch klickt, dann zaudert er, denkt nach, klickt wieder, wird auch mal abgelenkt, klickt dann wieder. Ein Roboter hingegen löst die Aufgabe im Nu – und wird gerade deshalb vom Computer als Roboter erkannt. An dieser Stelle sei aber die Frage erlaubt: Wenn dem tatsächlich so sein sollte, dann werden schlaue Kriminelle schnell einen Roboter konfigurieren, der klickt, dann zaudert, dann scheinbar nachdenkt und dann wieder klickt.

Richtiggehend veräppelt fühle ich mich, wenn ich am Ende eines Test-Parcours anklicken muss: „Ich bin ein Mensch.“ Hand aufs Herz: Für Roboter, die zuvor Zahlencodes erkennen konnten, dürfte es ja wohl kein Pro­blem sein, ein Häkchen hinter diese Zeile zu setzen. Zudem erinnert die Feststellung, ein Mensch zu sein, an die Plumpheit der Fragen in US-Einreiseformularen: „Haben Sie vor, in den Vereinigten Staaten einen Terroranschlag zu verüben?“

Aber – und um mit einem positiven Aspekt zu schließen: So kompliziert, irritierend oder dumm auch die Abfragen im Internet sein mögen, immerhin ersetzen sie die noch komplizierteren, irritierenderen und dümmeren akustischen Überprüfungen, mit denen einst beim Telefon-Banking die Kunden gemartert wurden. „Bitte geben Sie Ihre Geheimzahl ein!“ „Acht, fünf, drei, null.“ „Habe ich richtig verstanden: sechs, vier, zwei, sieben?“ „Nein! Nein, nein, nein!“ „Habe ich richtig verstanden: neun, neun, neun, neun?“.

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