Milliardärsreport der UBSIm Blickfeld

Im Geiste von Alfred Nobel

Milliardärsfamilien wie die schwedische Wallenberg-Dynastie haben seit jeher dasselbe Ziel: Die Vermögen mehren und weitervererben. Dies zeigt auch der aktuelle Milliardärs-Report von UBS.

Im Geiste von Alfred Nobel

Im Geiste von Alfred Nobel

Der schwedische Dynamit-Erfinder ist auch den heutigen Milliardären ein Vorbild.

Von Daniel Zulauf, Zürich

Altes oder neues Geld ist unerheblich, wer viel davon hat, will es mehren und später an die eigenen Nachkommen vererben. Die Erkenntnis ist gewiss nicht neu, sie wird im aktuellen Milliardärs-Report, den die UBS vergangene Woche veröffentlicht hat, aber eindrücklich unterlegt.

Die Bank, die sich die Verwaltung der Vermögen einer ultrareichen, globalen Klientel zu einer ihrer Kernaufgaben gemacht hat, vermisst die Welt der Milliardäre seit 2015 jährlich nicht nur statistisch, sondern auch qualitativ.

So konnte die Bank von den weltweit 2.544 Milliardären mit einem Gesamtvermögen von 12.000 Mrd. Dollar, die sie in Zusammenarbeit mit dem Beratungsunternehmen PwC aus den aktuellen Statistiken herausgefiltert hat, immerhin 79 Familien persönlich zu deren Erwartungen, Befürchtungen und Zielen befragen. Einige Aussagen treten in der Befragung besonders deutlich hervor.

Große Einigkeit herrscht zum Beispiel in der Frage, was die Erben von Milliardären mit ihren Vermögen am liebsten tun: Sie möchten sie in absolut erster Priorität weiter vermehren und später den Nachkommen übergeben. Der Umstand, dass sich die erste Generation in dieser Hinsicht mehr Freiheiten zugesteht (vgl. Grafik) mag ein Indiz dafür sein, dass ein geerbtes Vermögen auch eine geerbte Verpflichtung darstellt.

Erziehung zur Strebsamkeit

Kaum zufällig wird ein in der Studie befragter Vertreter der Gründergeneration denn auch mit diesem Satz zitiert: "Das Hauptproblem mit der jüngeren Generation besteht darin, diese zur Strebsamkeit zu erziehen. Die Jungen halten ehrgeizige Ziele für eine Selbstverständlichkeit und sie glauben, dass dies für wichtige unternehmerische Informationen genauso gilt. Dabei muss die Gründergeneration diese Dinge selbst zusammenbringen und das Beste draus machen."

Bemerkenswert ist auch die Deutlichkeit, mit der sich die von UBS und PwC befragten Milliardäre über die aussichtsreichsten Geschäftsfelder in ihren eigenen Unternehmen äußern. In den obersten Rängen finden sich fast nur neue, digitale oder datengestützte Technologien. Ein Zufall ist auch das nicht. In der Digitalökonomie basieren viele besonders erfolgreiche Geschäftsmodelle auf sogenannten Netzwerkeffekten, die den Betreibern solcher Netzwerke große und nachhaltige Wettbewerbsvorteile versprechen.

Mit Monopolen oder oligopolistischen Geschäftsmodellen wurden schon in der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts die ganz großen Vermögen geschaffen. Das vielleicht markanteste Beispiel aus dieser Epoche ist jenes des schwedische Großindustriellen Alfred Nobel. An dessen unermesslichen Reichtum erinnert der Nobelpreis, den der findige Chemiker und Dynamit-Erfinder 1901 mit der Gründung einer Stiftung geschaffen hatte. Nobel organisierte seine 355 Patente so, dass er überall in der Welt mitverdiente, wo der Sprengstoff hergestellt wurde. Monopolstrukturen sind bis heute die Grundlage vieler Milliardenvermögen geblieben. Stark gewandelt haben sich seit Nobels Zeiten freilich die Geschäftsfelder, in denen es lukrative Wettbewerbspositionen zu gewinnen gab.

Großväterliches Vermächtnis

Ein schönes Beispiel dafür lieferte unlängst Jacob Wallenberg (im Bild mit Brille anlässlich der Nobelpreisverleihung), Vertreter der fünften Generation der gleichnamigen schwedischen Industriellenfamilie, der nachgesagt wird, dass sie seit mehr als einem Jahrhundert ein Drittel der schwedischen Wirtschaft kontrolliert. Wallenberg referenzierte anlässlich eines Vortrages in Zürich über die Wettbewerbsfähigkeit Europas diesen Satz seines Großvaters Marcus, der 1946 dessen Bruder überzeugt haben soll, die Eisenbahninteressen der Familie zu verkaufen und stattdessen in die neu entstehende Flugindustrie zu investieren: "Das Alte zu verlassen für das, was kommt, ist die einzige erhaltenswerte Tradition." Aus der von Marcus Wallenberg angeregten Portefeuille-Umschichtung entstand bald darauf die skandinavische Airline SAS. Verändert haben sich im Lauf der Jahrzehnte auch die Methoden, mit denen Milliardäre die lukrativsten Wettbewerbspositionen ihrer Unternehmen zu verteidigen pflegen. Während man sich diese bis in die 1970er Jahre noch einigermaßen beschaulich vorstellen kann, wurden sie mit dem Beginn der großen Liberalisierung und der stark beschleunigten Globalisierung bald komplexer.

Michael Porter, ein damals sehr einflussreicher amerikanischer Industrieökonom und Strategietheoretiker konstatierte in seinem Standardwerk "Competitive Advantage" (Free Press, 1985): "Weltweit sind Unternehmen mit tieferen Wachstumsraten konfrontiert und die Konkurrenten verhalten sich nicht mehr so, als gäbe der Kuchen genug für alle her."

Der Harvard-Professor entwickelte seine Theorie der fünf Kräfte, mit denen sich Firmen einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil erschaffen sollten: Die Macht der Lieferanten einschränken, neue Konkurrenten vom Eintritt in denen eigenen Markt abhalten, eine Substitution der eigenen Produkte verhindern und die Preismacht gegenüber den Konsumentinnen und Konsumenten sichern. Dass inzwischen auch die Welt von Michael Porter untergegangen ist, beweisen nicht zuletzt die von ihm selbst bemühten Beispiele von Marktdominanz wie Heinz, Kodak oder Kmart. Die Firmen sind nur noch ein Schatten ihrer einstigen Bedeutung oder existieren nicht mehr. Vor zehn Jahren schickte Rita Gunther McGrath den berühmten Michael Porter endgültig ins Archiv.

Die einflussreiche Professorin für Managementlehre an der Columbia Business School in New York lancierte den Bestseller "The End of Competitive Advantage" (Harvard Business Review Press, 2013). Das Buch legt dar, dass es im Zeitalter der Digitalökonomie und der mit dieser einhergehenden neuen Prozesstechnologien nicht mehr möglich ist, lukrative Wettbewerbsvorteile dauerhaft zu verteidigen – es sei denn, man innoviert das ganze Geschäftsmodell. Als ein besonders erfolgreiches Beispiel dieser Methode gilt Microsoft. Das Unternehmen ging unter CEO Satya Nadella dazu über, nicht länger das eigene Betriebssystem gegen unliebsame Konkurrenz abzuschirmen, sondern mit Hilfe eines offenen Systems den Kundennutzen in den Vordergrund zu stellen. Als unbesiegbar gilt freilich auch Microsoft nicht mehr. 53% der befragten Milliardäre sehen die disruptive Kraft neuer Technologien deshalb nicht nur als Chance, sondern auch als größtes Risiko in ihrem steten Kampf um den Erhalt des eigenen Vermögens.

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