Im Sturm
Im Sturm
Chemieindustrie
Im Sturm
Von Lisa Schmelzer
Die Politik greift der Chemiebranche unter anderem mit der Stromsteuersenkung unter die Arme. Das alleine wird aber nicht reichen,
gestärkt aus der Krise
zu kommen.
So schnell kann es gehen. Mitte Juli sprach Markus Steilemann noch von der Hoffnung, dass nun vieles besser werden könnte. Nur sechs Wochen später schien der Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) auf dem Boden der Tatsachen angekommen. Der Sommer neige sich dem Ende zu, ohne dass sich bei ihm der Eindruck grundlegender Verbesserungen eingestellt habe, schreibt der Covestro-Chef in einem kürzlich erschienen Blog. So wie ihm dürfte es gerade vielen Managern in der Chemieindustrie gehen.
Steilemanns Optimismus schien indes schon im Juli sehr erstaunlich. Denn die nackten Zahlen, die der Branchenverband regelmäßig vorlegt, sind schon länger eher zum Weinen. Zuletzt vermeldete der VCI für das zweite Quartal 2025 zum Teil deutlich rückläufige Werte für Produktion, Umsatz und Preise. Im Inlandsgeschäft ist die erhoffte Trendwende ausgeblieben. Der Auftragsmangel hat sich weiter verschärft.
Ukrainekrieg und Zölle
Über der Chemiebranche hat sich in den vergangenen Jahren ein veritabler Sturm zusammengebraut. Sie war eine der Hauptleidtragenden, als in Folge des Ukrainekrieges die Energiepreise explodierten. Und die Chemie-Unternehmen sind jetzt stark den Zollturbulenzen ausgesetzt, nicht nur, weil sie selbst mit Zöllen belegt werden, sondern auch, weil die Zölle wichtige Abnehmer etwa aus der Automobilindustrie treffen. Die für die Branche ebenfalls wichtige Bauindustrie siecht sowieso schon länger vor sich hin. Als wäre das nicht genug, sorgt die in dieser Gemengelage um sich greifende Unsicherheit dafür, dass viele Kunden Einkäufe bei Chemiefirmen auf die lange Bank schieben. Zudem schwächelt der US-Dollar, das macht es für europäische Exporteure noch einmal schwieriger.
Handhabe gegen die Krise haben die Unternehmen wenig. Natürlich kann man Produktion an preisgünstigere Standorte verlagern, aber so ein Chemiewerk oder eine Pharmaproduktion wird nicht über Nacht aus dem Boden gestampft. In den USA zu investieren, um Zöllen zu entgehen, ist schon alleine deshalb keine Lösung, weil die Kosten dort relativ hoch sind, für das Fachpersonal oder den Bau der Anlagen.
BASF setzt auf China
BASF beispielsweise setzt schon länger auf den für den Konzern wichtigen chinesischen Markt, dort wird demnächst ein neuer Verbundstandort eröffnet. In der Heimat, in Ludwigshafen, wird dagegen der Rotstift angesetzt. Diversifizierung dürfte einem Weltkonzern indes leichter fallen als eher mittelständisch geprägten Unternehmen. Wobei das Chemiegeschäft derzeit tatsächlich weltweit schwierig ist. Selbst China ist nicht mehr der phänomenale Absatzmarkt, der er einmal war. Vielmehr produzieren mehr und mehr Firmen aus dem Reich der Mitte selbst Chemikalien und exportieren sie – was das eh schon vorhandene Überangebot in vielen Bereichen zusätzlich aufbläht.
Nun hofft man zumindest in der deutschen Chemie mal wieder auf die Politik. Mit der Stromsteuersenkung, der Reduzierung der Stromnetzentgelte und der Änderung des Lieferkettengesetzes – alles vom Koalitionsausschuss kürzlich abgesegnet – wurde nach Ansicht der Branche ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Angesichts der Herausforderungen ist das aber allemal ein Schrittchen. Mittelfristig könnte das Schrittchen die Branche trotzdem voranbringen, zumal wenn die Unternehmen gleichzeitig die Krise für Aufräumarbeiten nutzen.
Rendite im Fokus
Branchenkenner kritisieren schon länger, dass gerade börsennotierte Chemiefirmen zu stark auf kurzfristige Ergebnisrenditen schielen. Zuweilen wurden auch zu viele und zu teure Standorte aus dem Boden gestampft, die nie Geld verdient haben. Die Branche wird um die ein oder andere Werksschließung nicht herumkommen, muss Standorte eindampfen und effizienter produzieren. Auch Portfoliobereinigungen, wie sie etwa BASF plant, könnten helfen. Wenn dann noch die grüne Transformation nicht aus dem Auge verloren wird, könnte die Chemiebranche nach der Krise besser für den globalen Wettbewerb gerüstet sein.