Immobilienfonds in der Zwickmühle
Immobilienfonds in der Zwickmühle
Assetmanagement
Immobilienfonds in
der Zwickmühle
Institutionelle Investoren können leichter aussteigen als Privatanleger
Die Zahlen des ersten Quartals haben es in sich. Laut Fondsverband BVI sind in den Monaten Januar bis März nur noch 0,7 Mrd. Euro neue Gelder in offene Immobilien-Publikumsfonds geflossen. Das ist lediglich ein Drittel des Nettomittelaufkommens im ersten Quartal 2022. Im Jahr 2020 konnten die Publikumsfonds sogar unterm Strich 3,9 Mrd. Euro zum Start einsammeln. Das Nettovermögen dieser Immobilienfonds beträgt 132 Mrd. Euro.
Entspannter scheint die Lage bei den zahlreichen offenen Immobilien-Spezialfonds zu sein. Das Mittelaufkommen im ersten Quartal 2023 betrug mit 1,8 Mrd. Euro immer noch die Hälfte des Vorjahreswertes. In den institutionellen Produkten werden mittlerweile mit 158 Mrd. Euro deutlich mehr Gelder verwaltet als in die Retailfonds. In den vergangenen drei Jahren ist das Volumen noch um mehr als 50% angestiegen.

Der Erfolg bei den Vehikeln für die Profis hat aber seine Tücken. In der aktuellen Marktphase mit Zinsen wieder jenseits der 3% sind offene Immobilienfonds relativ betrachtet weniger attraktiv als in der Nullzinsphase. Was passiert, wenn Anleger in Massen aus den Fonds aussteigen, hat man in der Krise 2008 gesehen, als Publikumsfonds der Reihe nach schließen mussten, weil Immobilien als Vermögensgegenstände nicht so fungibel sind wie Wertpapiere. Für die privaten offenen Immobilienfonds wurde als Reaktion auf das Desaster ein Riegel vorgeschoben. Im Prinzip gilt heute eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von einem Jahr.
Institutionelle sind flexibler
Der Retailkunde eines offenen Immobilienfonds kann nicht mehr auf geänderte Marktbedingungen reagieren. Anders sieht es beim institutionellen Investor und den Immobilien-Spezialfonds aus. Nach Einschätzung der Kanzlei McDermott Will & Emery könnte das derzeitige Zinsniveau, gepaart mit Unsicherheitsfaktoren im Immobilien- und Bausektor, dazu führen, dass Investoren in Immobilien-Spezialfonds ihre Investments überdenken: „Institutionelle Anleger haben ihre Immobilienfondsanlagen in aller Regel langfristig geplant. Die aktuelle Marktsituation kann sie dennoch zu vorzeitigen Desinvestitionen bewegen oder gar zwingen.“ Grund dafür ist zum Beispiel, dass treuhänderische Altersvorsorgeeinrichtungen wie Versorgungswerke und Pensionskassen meist einen bestimmten Zins erwirtschaften müssen.
Eine Umschichtung von Immobilienfondsanlagen könnte daher drohen. „Bei Banken und Versicherungen als Anleger können Anforderungen des eigenen Aufsichtsrechts dazu führen, dass der Anteil vergleichsweise illiquider Fondsanlagen zugunsten fungiblerer Mittel reduziert werden muss“, schreiben die Anwälte der Kanzlei.
Immobilien-Spezialfonds sind zwar typischerweise offene Sondervermögen mit Anlagebedingungen gemäß § 284 KAGB. Meist sehen die Anlagebedingungen eine Kündigungsfrist für die Rückgabe von Anteilen vor, so Claudia Benz und Florian Schiefer von McDermott. Die Kündigungsfrist betrage anders als bei Publikums-Immobilienfonds meist nicht mehr als ein Jahr, zum Teil ist sie kürzer. Auch hielten die Fonds in der Regel keinen Liquiditätspuffer für Rückgaben, um zu vermeiden, dass die Immobilienrendite verwässert.
Erste Spezialfonds unter Druck
Sonja Knorr von Scope bestätigt diese Einschätzung: „Viele institutionelle Anleger wie Depot-A-Manager hinterfragen ihre Immobilieninvestments derzeit intensiver und kündigen Engagements in Spezialfonds“, so die Immobilienexpertin der Ratingagentur. Sie hat allerdings auch beobachtet, dass viele institutionelle Anleger stillhalten in der Befürchtung, dass bei einem Verkauf der Spezialfondsanteile die Immobilien nicht gerade den besten Preis erzielen dürften. „Teils kommt es auch zu Übertragungen von Fondsanteilen innerhalb der Anlegerschaft, wenn einzelne institutionelle Anleger ihre Fondsanteile liquidieren möchten oder müssen“, sagt Knorr. „Während Schließungen bei Publikumsfonds für Privatanleger bislang kein Thema sind, haben einige wenige Spezialfonds, in die ausschließlich institutionelle Anleger investiert sind und die mit geringeren Liquiditätsquoten und höheren Kreditquoten operieren als Publikumsfonds, die Anteilscheinrücknahme ausgesetzt“, so die Leiterin alternative Investments bei Scope.
Im Unterschied zu Publikumsfonds, die häufig marktgängige Core-Objekte kaufen, seien Spezialfonds häufiger auch in risikoreicheren Investments und Nischenstrategien unterwegs, was die Liquidität einschränke. Ein weiterer Punkt kommt beim Vergleich der beiden Fondstypen hinzu: Publikumsfonds haben in der Regel deutlich höhere Fondsvolumina. „Das bringt ihnen einen Vorteil in Bezug auf die Diversifikation der Portfolios“, sagt Knorr.
Füße stillhalten
Aus Sicht der Kanzlei McDermott können bei Spezialfonds Verpflichtungserklärungen eine Lösung sein. Die Neigung zu Anteilrückgaben bei Anlegern offener Immobilien-Spezialfonds ließe sich so begrenzen. „Als vertrauensbildende Maßnahme zwischen den Anlegern kommen sogenannte Stillhaltevereinbarungen in Betracht, mit denen sich Anleger verpflichten, während eines festgelegten Zeitraums keine Anteile zurückzugeben“, schreiben die Juristen. Die Vereinbarungen könnten dabei von verschiedenen Beteiligten abgeschlossen werden und ließen sich hinsichtlich der Rechtsfolgen unterschiedlich ausgestalten.
Schutzmechanismen auf freiwilliger Basis wären unter Umständen auch für Investoren in renditestabilen, konservativ ausgerichteten Immobilienfonds sinnvoll, die einen Ausstieg von Mitanlegern befürchten. Zwar hat eine Rückgabe eines Anlegers in einem Spezialfonds keine unmittelbare Auswirkung, doch bei größeren Summen und abhängig von der Struktur des Fonds kann die Kapitalverwaltungsgesellschaft den Fonds schließen. „Dieser Schritt führt regelmäßig zu einer Vielzahl zusätzlicher Rückgabewünsche. Die Situation wird auch als ‚Windhundrennen‘ bezeichnet, bei dem alle Anleger hoffen, noch vor den anderen eine Auszahlung zu erhalten“, schreibt McDermott. Solche Gedankenspiele erinnern fatal an die Krise vor 15 Jahren, als bei den Publikums-Immobilienfonds ein Produkt nach dem anderen die Rückgabe aussetzte, mit der Folge, dass nach der vorgegebenen Frist an sich gesunde Fonds abgewickelt werden mussten.
Stillhaltevereinbarungen für Immobilien-Spezialfonds sind aus Sicht der McDermott-Juristen daher im aktuellen Marktumfeld ein Thema. Für diesen Fall empfehlen sie aber, von der formellen Ergänzung der Fondsdokumentation abzusehen und das Stillhalten nur zwischen den Anlegern zu vereinbaren. „Es müssen bei einer Änderung der Fondsverträge sämtliche hierfür vorgesehenen Form- und Beteiligungsvorgaben eingehalten werden. Insbesondere bedarf eine Änderung der Anlagebedingungen regelmäßig der Zustimmung aller Anleger.“
Renditen weiter ordentlich
In vielen Fällen ist die Rendite der Immobilienfonds noch zufriedenstellend. „Bisher verharren die Publikumsfonds bei gut 2% (Q1 2023), und bei den Spezialfonds (Q4 2022) ist der Rückgang bisher moderat“, so Sebastian Gläsner von MSCI. Im Bereich der Retailprodukte sei es allerdings fraglich, ob das Renditeniveau noch konkurrenzfähig ist. Bei den Spezialfonds wiederum liegen die Jahresrenditen aktuell aber noch oberhalb von 5%, trotz eines Renditerückgangs, so Gläsner. Damit sind viele institutionelle Produkte immer noch sehr gut positioniert.
