In der US-Bankenkrise ist noch lange keine Entwarnung geboten
US-Banken
Gefährliche Realitätsverklärung
Von Alex Wehnert
Die Turbulenzen im US- Finanzsektor gründen sich auf einen Vertrauensverlust, den viele Beobachter zu stark verharmlosen.
Auch nach dem Notverkauf der First Republic Bank an J.P. Morgan kann von einem Ende der US-Bankenkrise nicht im Geringsten die Rede sein. Das zeigt sich sehr eindrücklich an den Aktienkursen von Kreditinstituten wie Western Alliance Bancorp und PacWest Bancorp, die erneut in einen hochvolatilen Abwärtstaumel geraten sind. Insbesondere letztgenanntes Geldhaus steht im Fokus: Es teilte mit, strategische Optionen zu prüfen, darunter auch einen Verkauf. Zwar steht auch eine Kapitalerhöhung als Alternative im Raum – doch wie gut solche Maßnahmen im aktuellen Umfeld an die Marktteilnehmer vermittelbar sind, hat sich ja bereits vor dem Zusammenbruch der Silicon Valley Bank (SVB) im März gezeigt.
Der kollabierte kalifornische Start-up-Finanzierer strebte Anfang März eine entsprechende Transaktion an, um Verluste aus Wertpapierverkäufen aufzufangen, mit denen er nach einem hohen Einlagenschwund eigentlich wiederum die eigene Liquidität hatte sicherstellen wollen. Erst die Ankündigung der Kapitalerhöhung brachte die aktuelle Krise im Sektor, die inzwischen zahlreiche weitere regionale Lender erfasst hat, so richtig ins Rollen. Die Turbulenzen sind dabei Folge eines allgemeinen Vertrauensverlusts ins Bankensegment. Einlagenkunden und insbesondere die Aktionäre sowie Optionshändler trauen kleinen und regionalen Finanzinstituten nach der scharfen restriktiven Wende der Federal Reserve im vergangenen Frühjahr – die nun vorläufig in einem Anstieg des Leitzinses in die Spanne von 5 bis 5,25% gegipfelt ist – schlichtweg kein adäquates Risikomanagement mehr zu.
Der Kollaps der First Republic macht die Probleme im Sektor eindrücklich klar. Denn das kalifornische Geldhaus vergab unter anderem großvolumige Hypothekenkredite zu unangemessen lockeren Konditionen und besaß nach dem geldpolitischen Kurswechsel keine ausreichenden Möglichkeiten, auf steigende Zinsen zu reagieren. Wer nach der Übernahme der First Republic durch J.P. Morgan zu Beginn der laufenden Woche betonte, die Möglichkeit weiterer Ansteckungseffekte innerhalb des Finanzsektors falle nun gering aus, verklärte also die Realitäten. Denn direkte Ansteckungen zwischen regionalen Geldhäusern waren im Verlauf der aktuellen Turbulenzen nie das Kernproblem, darin besteht ein entscheidender Unterschied zur Finanzkrise 2008. Auch J.P.-Morgan-Vorstandschef-Jamie Dimon gehörte übrigens zu denjenigen Rufern, die nach dem Notverkauf des kalifornischen Kreditinstituts vorschnell Entwarnung gaben und den übergreifenden Vertrauensverlust damit verharmlosten.
Auch bei PacWest Bancorp fällt der Kurssturz derzeit dramatischer aus, als es die Mitteilungen des Managements eigentlich rechtfertigen sollten. Das Geldhaus vermeldete zeitgleich mit der Prüfung strategischer Optionen schließlich, im Zuge der jüngsten Marktverwerfungen keine “außergewöhnlich hohen” Mittelabflüsse verzeichnet zu haben. Doch befeuert das hohe Maß an unbesicherten Einlagen die Furcht vor einem weiteren Bank Run, für den PacWest aus Sicht vieler Marktteilnehmer aufgrund nicht realisierter Verluste innerhalb des Wertpapierportfolios unzureichend gerüstet scheint. Ob diese Befürchtungen auf realen Grundlagen fußen, ist dabei nicht mehr entscheidend. Dies wird auch anhand des Beispiels von Western Alliance deutlich. So trugen Gerüchte, das Geldhaus aus Phoenix habe Berater angeheuert, um strategische Alternativen zu prüfen, am Donnerstag erheblich zum Druck auf die Aktie bei. Das Dementi von Western Alliance versendete sich schnell.
In dieser angekratzten Stimmungslage könnte der Notverkauf der First Republic, so alternativlos er angesichts der Marktlage auch war, noch bedenkliche Folgen haben. Denn der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC hat mit der Veräußerung des Lenders an das führende Kreditinstitut des Landes zwar wohl seinen Auftrag erfüllt, die günstigste Übernahmevariante einzufädeln. Doch wie der Ex-Chef der Behörde, William Isaac, richtig anmerkt, fördert der Regulator damit eine weitere ungesunde Machtkonzentration im amerikanischen Finanzsektor. Damit beraubt er sich zugleich wichtiger Handlungsoptionen für den weiteren Verlauf der Krise – deren Ende noch lange nicht absehbar ist.