Industriepolitik im Rüstungssektor muss Chefsache werden
Rüstungspolitik
KNDS muss Chefsache werden
Der Panzerkonzern KNDS kippt zur französischen Seite weg. Das zeigt: Industriepolitik im Rüstungssektor sollte spätestens ab jetzt auch in Deutschland im Kanzleramt gemacht werden.
Von Christoph Ruhkamp
Seit der Fusion von Krauss Maffei Wegmann und Nexter im Jahr 2015 ist der deutsch-französische Panzerkonzern KNDS schrittweise zu einem französisch dominierten Unternehmen geworden. Die Eigentumsanteile sind 50 zu 50 verteilt auf den französischen Staat und die KMW-Eigentümnmerfamilien Bode und Braunbehrens. Aber ein Staat auf der einen Seite und zwei Familien auf der anderen Seite sind doch ein sehr ungleich mächtiges Paar. In Paris ist zudem eine Rüstungsbeteiligung wie die an KNDS Chefsache und wird direkt vom Präsidentenpalast aus gesteuert. In Deutschland dagegen kümmert man sich um das Thema bisher eher widerwillig und nur aus der zweiten Reihe der Bundesregierung heraus.
Deutsche Eigentümerfamilien wollen Anteil versilbern
So kippt KNDS immer mehr zur französischen Seite hin. Der CEO ist bereits seit April ein Franzose. Und die deutschen Eigentümerfamilien wollen ihre Anteile noch in diesem Jahr bei einem Börsengang oder durch den Verkauf von Anteilen an einen Investor oder die Bundesregierung versilbern. Der Zeitpunkt dafür ist sicherlich nicht schlecht. Dem Unternehmen wird ein Wert von rund 20 Mrd. Euro zugesprochen. Ein so hoher Betrag wäre noch vor vier Jahren fast undenkbar gewesen. Eigentlich war es genau so nicht geplant. Vielmehr sollte Deutschland oder die deutsche Industrie die Federführung beim nächsten europäischen Kampfpanzer übernehmen – im Fachjargon Main Ground Combat System (MGCS). Im Gegenzug dafür hatte Frankreich die Federführung beim noch deutlich größeren Entwicklungsprojekt des nächsten europäischen Kampfflugzeugs erhalten.
Für den Wegmann-Gesellschafterausschuss verhandelt nun Chairwoman Ingrid Jägering, die auch KNDS-Board-Mitglied und im Hauptberuf Finanzchefin des Sägenherstellers Stihl ist, mit dem französischen Staat über den geplanten Rückzug bei KNDS. Auf Seiten der Bundesregierung würden sich Levin Holle, Abteilungsleiter im Kanzleramt und Ex-Bahn-Finanzvorstand, sowie der jetzige Rüstungsstaatssekretär und ehemalige Kanzler-Scholz-Berater Jens Plötner aus dem Bundesverteidigungsministerium um die Angelegenheit kümmern.
Machtgefüge aus der Balance
Der Einstieg der Bundesregierung wird erwogen, weil der Rückzug der Familien bei KNDS das deutsch-französische Machtgefüge aus der Balance bringen würde. Denn wer bei dem Panzerbauer das Sagen hat, bestimmt auch darüber, wo in Zeiten dreistelliger jährlicher Milliardenausgaben für Rüstung neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Schon jetzt hat KNDS 11.000 Beschäftigte. Es werden noch deutlich mehr werden. KNDS hat 2024 ein Auftragsplus von 40% auf 11,2 Mrd. Euro verbucht. Der direkte staatliche Einfluss in der Rüstungsindustrie wächst. Beim Tarnkappen-Enttarnungsunternehmen Hensoldt aus Taufkirchen hält der Bund bereits 25,1% über die Staatsbank KfW und hat sich zudem kürzlich ein Vorkaufsrecht auf Aktien der Thyssenkrupp-U-Boot-Tochter TKMS einräumen lassen, die an die Börse strebt. Zudem ist KNDS mit 25,1% am Augsburger Panzergetriebehersteller Renk beteiligt.
Aber die Industriepolitik im Rüstungssektor muss noch stärker zur Chefsache werden. Das machen Frankreich, Großbritannien und Italien vor. Denn das europäische Kampfflugzeug-Projekt wird durch deutsch-französische Streitigkeiten gelähmt. Der lachende Dritte ist die britische BAE im Verbund mit Leonardo aus Italien und Partnern aus Japan, die einen schneller verfügbaren Kampfjet als Konkurrenzprodukt vorantreiben. Der optimistische Ton von BAE und die Erklärungen über „ausgezeichnete Fortschritte“ stehen in krassem Gegensatz zu den konkurrierenden deutsch-französisch-spanischen Bemühungen. Die beiden Hauptauftragnehmer, die französische Dassault und Airbus, deren Verteidigungsgeschäft in der Nähe von München angesiedelt ist, streiten sich um die Kontrolle über FCAS. Ähnliches geschieht nun bei den Panzern: Rheinmetall baut mit Leonardo den Panther, der schneller verfügbar sein soll als das MGCS. Die Arbeitsplätze entstehen dabei jedoch in La Spezia in Italien.