Im BlickfeldDigital Assets

Internationaler Bruch in der Kryptoregulierung

Während die Europäische Union zum Standardsetzer in Sachen Krypto-Regulierung geworden ist, befinden sich die US-Behörden weiter auf Konfrontationskurs zur Digital-Assets-Branche. Marktbeobachter glauben, dass sich der Graben zwischen beiden Rechtsräumen noch vertiefen dürfte.

Internationaler Bruch in der Kryptoregulierung

Internationaler Bruch in der Kryptoregulierung

Während die EU bei der Kryptoregulierung Standardsetzer wird, gehen die USA weiter auf Konfrontationskurs zur Branche. Laut Beobachtern dürfte sich der Graben zwischen den Rechtsräumen vertiefen.

Von Alex Wehnert, New York

Der Moment des Vollzugs droht nach jahrelangem Vorlauf fast unterzugehen: Am Mittwoch haben EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola und Vertreter der schwedischen Ratspräsidentschaft die Richtlinie „Markets in Crypto Assets“ (Mica) unterzeichnet. Damit wird final, was sich seit Vorstellung des Rahmenwerks 2020 abzeichnete – die EU wird zum Standardsetzer bei der Regulierung digitaler Vermögenswerte.

Insbesondere zu den Vereinigten Staaten tut sich ein harter Kontrast auf. Denn US-Behörden erteilen einem einheitlichen Kryptorahmenwerk standhaft Absagen und gehen seit Monaten mit zunehmender Härte gegen Blockchain-Dienstleister vor. Der Derivate-Regulator CFTC verklagte Ende März die weltgrößte Digital-Assets-Plattform Binance und wirft dieser vor, jahrelang ohne Zulassung eine Börse in den USA betrieben zu haben. Noch stärker reibt sich die Blockchain-Branche an der Börsenaufsicht SEC, die nicht nur Vollstreckungsmaßnahmen gegen Dienstleister verfolgt, sondern auch praktisch alle Cyberdevisen außer Bitcoin als unrechtmäßig begebene Wertpapiere einstuft.

Verschärftes Vorgehen

Nach Ansicht von Erwin Voloder, leitender Politikbeauftragter des Branchenverbands European Blockchain Association, hat der Kollaps der Plattform FTX im November die konfrontative Einstellung der US-Behörden gegenüber Kryptodienstleistern verschärft. „Auch die Federal Reserve und der Einlagensicherungsfonds FDIC sind hart gegen Finanzinstitute vorgegangen, die Banking-Dienstleistungen für die Digital-Assets-Branche erbringen“, sagt Voloder. So habe die FDIC die Signature Bank, Betreiberin der Echtzeit-Krypto-Bezahlplattform Signet, im März unter Zwangsverwaltung gestellt, obwohl die Liquiditätssituation des Geldhauses dies gar nicht notwendig gemacht hätte.

„Die Digital-Assets-Branche ist in den USA also mit heftigem Gegenwind konfrontiert, der ihr das Wachstum erschwert“, führt Voloder aus. Zugleich sollten die Behörden aber bedenken, dass Digital Assets große Chancen für technologische Weiterentwicklung böten – auch nun, da das hohe Zinsniveau Möglichkeiten in anderen Bereichen begrenze.

Der Großteil der Bitcoin-Handelsvolumina entfällt auf Dollar-Assets.

Das Argument, die USA gefährdeten mit ihrer Haltung ihren Status, bemühen auch andere Branchenvertreter gern. So warnte Hany Rashwan, CEO des Assetmanagers 21.co, im Interview der Börsen-Zeitung zuletzt, US-Mittel könnten nach Übersee abfließen, wenn die Behörden ihr hartes Vorgehen gegen Digital-Assets-Dienstleister fortsetzten. Dies betreffe Unternehmen, die Interesse an Kryptodienstleistungen hätten und sich stärker an Nicht-US-Anbieter wendeten, sowie „Digital-Assets-Dienstleister, die sich verstärkt im Ausland ansiedeln“, betont Rashwan, dessen Firma Büros in New York unterhält, aber in der Schweiz ansässig ist.

Voloder sieht insbesondere bei Stablecoins drängende Probleme. Diese Token sollen Wertstabilität gewährleisten und ermöglichen es Anlegern, Handelsgewinne zu parken oder sich abzusichern, ohne in die Fiatwelt zu wechseln. Infolgedessen kommen Stablecoins wie Tether häufig auf Handelsvolumina, die diejenigen der führenden Cyberdevise Bitcoin um ein Vielfaches übersteigen.

Besonders häufig sind die wertstabilen Token an den Dollar gekoppelt, der damit die wichtigste Grundlage des Krypto-Tradings darstellt. Im Mai entfielen beispielsweise 81,6% der globalen Bitcoin-Handelsvolumina auf dollarbasierte Stablecoins, der Greenback als Fiatwährung nahm weitere 11,9% ein. Zum Vergleich: Der Euro kam lediglich auf einen Anteil von 2,8% an den globalen Volumina.

„Der Greenback verfügt über eine Sonderstellung in der globalen Wirtschaft – das Vorgehen in der Kryptoregulierung gefährdet diese aber“, betont Voloder. Denn die US-Behörden gingen gezielt gegen Stablecoin-Emittenten wie Circle vor, nicht aber gegen Dienstleister, die sich außerhalb ihrer Jurisdiktion befänden. Laut Ophelia Snyder, Präsidentin von 21.co, kommt hinzu, dass die Krise im US-Bankensystem das Vertrauen in den Dollar geschwächt habe. Deshalb sei mit einer stärkeren Verteilung auf Stablecoins zu rechnen, die andere Industrieländerwährungen nachbildeten.

Immerhin ist in den USA zuletzt wieder etwas Bewegung in die Regulierung gekommen. Seit Mitte April kursiert ein Gesetzesentwurf aus dem Repräsentantenhaus. Gemäß diesem könnte die Fed die Aufsicht über Nichtbanken wie Circle erhalten, die wertstabile Token emittieren. Banken, die Stablecoins auflegen wollen, fielen unter die Zuständigkeit der FDIC sowie der für die Überwachung des nationalen Kreditwesens zuständigen OCC.

Die Vielzahl der Behörden, die im Regulierungsprozess mitmischen, stellt nach Ansicht von Rechtsexperten aber einen weiteren Nachteil der USA im Standortwettbewerb dar. Denn SEC, CFTC & Co. stehen mitunter in Konkurrenzverhältnissen zueinander. Werden neue Kompetenzen verteilt, bedeutet dies für Behörden und die Kongressgremien, die sie kontrollieren, potenziell hohe Einflussgewinne oder Einflussverluste sowie höhere Budgets. Einer einheitlichen Regulierung ist das Gerangel um Zuständigkeiten laut Wirtschaftskanzleien eher abträglich.

Auf europäischer Ebene sei der Prozess dagegen stärker auf Kooperation sowie Kompatibilität zwischen Regulierungsschriften ausgelegt. So verfolge Brüssel mit Mica „das spezifische Ziel, durch Krypto keine Verwirrungen bei der Umsetzung bestehender Regelwerke zu erzeugen“, betont Voloder. Auch das seit März angewandte DLT Pilot Regime biete Vorteile. Denn durch dieses könnten Zentralverwahrer, Wertpapierfirmen und Marktbetreiber bis zu sechs Jahre in einer Testumgebung Settlement- und Trading-Systeme auf Basis von Distributed-Ledger-Technologien aufbauen.

Zugleich adressiere Brüssel mit der ab 2025 gültigen „Transfer of Funds“-Richtlinie Geldwäscherisiken im Segment. Über diese wird die „Travel Rule“ der Anti-Money-Laundering-Institution FATF in der EU eingeführt. Dann sollen bei Kryptotransfers die Daten des Zahlers mit transportiert werden. Ausgenommen sind nur private Transfers von einem Wallet zum anderen unterhalb von 1.000 Euro.

Wichtige Orientierungshilfe

Zwar hadern Kryptoplattformen aufgrund des hohen Aufwands mit der Travel Rule. „Doch immerhin gibt es im Zusammenspiel mit Mica nun ein Standardwerk, an dem sich die Branche orientieren kann“, sagt Voloder. Gerade die Natur der Staatengemeinschaft biete Chancen für Weiterentwicklungen. „Einzelne Länder können zur Anlaufstelle für bestimmte Kryptodienstleistungen werden“, sagt Voloder. Deutschland verfüge über starke Verwahrstellen, während in Luxemburg die Infrastruktur bestehe, um tokenisierte Vermögenswerte aufzulegen.

Gleichzeitig biete Mica die Möglichkeit, Mitgliedstaaten ins Boot zu holen, die bisher wenig Fortschritte in der Kryptoregulierung gemacht hätten. „Die Durchlässigkeit innerhalb des Staatenbundes ist ein Pfund – denn Blockchain-Anbieter können beispielsweise mit ihrer spanischen Lizenz Dienstleistungen in Irland erbringen, was Barrieren abbaut“, betont Voloder. In den USA gelte das Gegenteil: Einzelne Bundesstaaten böten ein freundliches Umfeld, es gebe aber keine Durchlässigkeit und keine harmonisierenden Vorgaben aus Washington. Der internationale Bruch in der Kryptoregulierung droht sich damit noch zu vertiefen.